Blog  „Erlebnisse eines Langzeitpatienten“

Wie ich in meinem  Jahresrückblick 2021 prophezeite, schreibe ich in diesem Jahr wieder einen Blog, diesmal direkt aus dem Dialysebett. Hier schildere ich konkret meine Erlebnisse mit meinen Gedanken zu den Abläufen. Aktuelle Ereignisse (eigene Corona-Infektion) haben mir den Impuls zum Start gegeben. So nenne ich diesen Blog „Der Blick aus dem Patientenbett - Erlebnisse eines Langzeitpatienten“. Es werden sicher einige Überraschungen wie nachdenkliche Momente bei den Lesern auftreten. Aber eventuell auch der Gedanke wie langweilig. :-D Zugleich dient es mir, wie die vorangegangenen Blogs, erneut als Reflexion und den Mitlesenden hoffentlich zum Vergleich des eigenen Erlebens. Ich spiegle hier nur eins zu eins mein Erleben! Nun wünsche ich viel Spaß beim Lesen!


Hurra ich bin Corona positiv!

04.04.2022: Heute Morgen bin ich gegen fünf Uhr erwacht und verspürte grippeähnliche Symptome. Ich Stand auf kontrollierte meine Temperatur, die mit 36,8 C° akzeptabel war. In der Folge machte ich zwei Corona-Schnelltest. Das Ergebnis, eindeutig positiv! In dem Moment dachte ich, „nun hat es auch Dich erwischt“. Bestürzung über die Diagnose herrschte nicht in mir. Bis 7:00 Uhr zur gewohnten Aufstehzeit schlief ich daher noch.

 

Kurz nach 7:00 Uhr informierte ich meine Dialyse, dass ich mich zweimalig positiv getestet habe. Die Stationsleitung sagte, ich müsse nun umgehend zur Dialyse kommen, da ich im ISO-Bereich dialysieren müsse, das gehe wegen dem Dienstplan nur am Morgen.

 

Das erste Problem mit Corona stellte die Anreise da. Das Taxi durfte nicht fahren. Die Alternative Krankenwagen war zeitnah nicht umzusetzen. So reiste ich mit dem eigenen PKW an. Die frühe Dialyse bereitete mir mit den mir bekannten hohen Leidensdrucks aus meiner Biografie, große Bauchschmerzen. Zwar verlief die frühe Dialysebehandlung selbst immer komplikationslos, nur im Anschluss (ca. 2 Stunden zeitversetzt) erlitt ich starke Kopfschmerzen sowie Herzrhythmusstörungen, Benommenheit und hatte so keinen Appetit. Medizinische Belege existieren hierzu zahlreich in meinen Unterlagen.

 

In der Klinik eingetroffen betrat ich erstmals den Dialyse-ISO-Bereich. Ich kannte diese Abteilung vorher nicht. Als ich ihn erblickte, konnte ich was ich sah mit meinen Erfahrungen aus über 40 Jahren Medizin nicht zuordnen. Sicher war alles um zu dialysieren vorhanden, aber das war kein freundliches Patientenzimmer. Mit den vorhandenen Dialysegeräten dialysierte ich letztmalig vor 16 Jahren. Mit der Übertretung der Türschwelle machte ich so wie Marty McFly in „Zurück in die Zukunft“ eine Zeitreise. Ich schaute mich skeptisch um, ob das Zimmer an die Elektrizität angeschlossen war. Ich hatte das mulmige Gefühl, ich müsste mit einer Art Ergometer, den Strom für die Behandlung eventuell selbst erzeugen. In der Krankheit war dies kein Raum zum Genesen oder um Ruhe zu finden.  Hierzu schrieb mir der Oberarzt in einer E-Mail am gleichen Tag: „Die baulichen Gegebenheiten sind natürlich nicht optimal.“ „Ich dachte humorvolle Rhetorik!“

 

Zwar hingen keine Bilder an der Wand, aber historische Beschilderungen, wie die korrekte Hygiene für Corona im Urgedanke mal erdacht wurde. Durch die offene Tür verlor man schnell den Überblick zum Durchgangsverkehr auf dem Flur, denn direkt Gegenüber war die klinische Physiotherapie. Corona machte mir in dieser Lockerheit der Abläufe keine Angst mehr. Ich bin Corona auch eventuell falsch mit der Warnung der Gefährlichkeit, die unser Gesundheitsminister Lauterbach immer bei Markus Lanz in den Medien darstellt, begegnet. Zudem hatte ich auch die katastrophalen Darstellungen zur Lage der Deutschen Krankenhausgesellschaft in deutschen Kliniken im Ohr.

 

Die Stationsleitung kam zu mir und erklärte, dass solange ich positiv bin, ich morgens zwischen 7:00 Uhr und 8:00 Uhr zur Dialyse kommen müsste. Hier erklärte ich, dass ich frühe Dialyse körperlich nicht vertrage. Doch die Ansage war nachdrücklich! Man kam mir noch mit 10:00 Uhr entgegen. Hierfür musste ich jedoch meine Dialysezeit von fünf auf vier Stunden reduzieren.

 

Aus dem Dialysebett schrieb ich unserem Oberarzt zur frühen Dialyse per E-Mail: „Die frühe Dialyse wirft mich so richtig aus der Bahn. Dies möchte ich auf keinem Fall bei einer Erkrankung, zusätzlich ertragen. Alle Argumentation, Krankenscheine, Urlaub verstehe ich ohne zweifel. Ich selbst bin auch um 7 Uhr täglich aus dem Bett. Die Dialyse geht aber einfach nicht so früh. Sie verordnen einem Patienten doch auch keine Medikamente, wenn Sie wissen sie sind für ihn unverträglich.“

 

Drauf erhielt ich die Antwort: „Wir betreiben aktuell 6 Tage die Woche mit einer 1:2 Betreuung dieses Zimmer in der Frühschicht. In der aktuellen Phase stellt dies eine enorme personelle Belastung da. Ich kann es verstehen dass Sie Ihre Gewohnheiten und Ihre persönlichen Abläufe nicht ändern wollen und mit einer frühen Dialysezeit Probleme haben. Wie Sie schon sagten: Jeder Patient ist anders. Manche dialysieren gerne früh, manche spät und jeder hat seine Vorlieben und Gründe warum er zum Beispiel die eine oder andere Dialyseschicht gewählt hat.“

 

Ich war über diese Antwort verschnupft, denn man ignorierte, dass ich nicht wegen eines lieb gewonnenen Kaffeekränzchen am Morgen, die Behandlung ablehnte, sondern weil ich dadurch einen hohen Leidensdruck durchleben muss. Die Lebensqualität ist mit das Einzige was uns oft bei allem noch bleibt! Ich könnte als Arzt in der Nacht nicht ruhig schlafen, wenn ich wüsste, ein Patient leidet unnötig! Die Lebensqualität des Langzeitpatienten erreicht im Normalfall eventuell 20 % die des Gesunden, das sind seine 100 %! Bei einem solchen Leidensdruck, der zu vermeiden ist, reduziert sich diese um die Hälfte.

 

Man fühlt sich an dieser Stelle einfach wehrlos! Man kann sich selbst vor gesundheitlichen Auswirkungen nicht schützen. Das medizinische Team lässt einem hier im Stich. Man spürt die Abhängigkeit, da es sich um eine maschinelle lebenserhaltende Therapie handelt. Die Bedeutsamkeit der psychischen wie physischen Effekte ist man sich medizinisch nicht bewusst oder muss sie bewusst ausblenden.

 

Nach dem Ende der Behandlung habe ich wie früher durch die Nebenwirkungen bis zum nächsten Tag ohne Essen im Bett verbracht.

 

Corona selbst machte kaum Probleme.


Mit dem Krankenwagen zur Dialyse

06.04.2022 – Heute hat man für meinen Transport zur Dialyse einen Krankenwagen bestellt. Mein Taxi darf mich mit Corona nicht fahren. Der Transport war zur Überraschung pünktlich. Auf der Hinfahrt hatte ich das Glück, alleine sitzen zu können, um mich mit meinem Handy zu beschäftigen. Auf dem Rückweg saß eine Person des Transportes, der aussah wie einer vom Kriminaltechnischen Untersuchung beim Tatort. Irgendwie fühlt man sich so wie ein Aussätziger. Der Assistent versuchte mit mir eine Unterhaltung zu führen. Das gestallte sich an der Sprachbarriere und den lauten Geräuschen der Fahrt sehr schwer. Zuhause wusste ich, zu diesem Transportmittel entwickle ich keine Beziehung.

 

Die Übertretung der Zeitlinie beim betreten der Dialyse, in eine längst vergessene Zeit meines Lebens, war wieder ein Erlebnis. Die mobilen Osmoseanlagen der Maschinen machten einen, durch ihren Lärm, innerlich ganz unruhig. Man konnte aber zumindest mit der Schwester nette Gespräche führen sowie den Trubel auf dem Flur durch die offene Tür beobachten. So wurde es mit Computer nicht langweilig. Unsere Ärztin war jedoch im Gegensatz zu sonst sehr schüchtern, sie wollte perdu nicht ins Zimmer kommen. Ich fühlte mich als hätte ich was ansteckendes. 

 

Nach vier Stunden war dann auch die zweite Dialyse unter Corona-Bedingungen geschafft! Vor zu Hause habe ich Respekt, denn die frühe Dialyse ist mir wie früher, beim letzten mal nicht bekommen. Die Bekannten starken Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen und Benommenheit waren wie früher gekommen. Das kann man sich nicht in allen Einzelheiten herbeireden. Corona zeigte sich in leichtem Husten und Schnupfen.


Ja wo iss er denn ...?!

 

08.04.2022: Für 8:30 Uhr ist der Krankenwagen bestellt. Als er zu dieser Uhrzeit noch nicht vor Ort war, habe ich die Zentrale angerufen und gefragt, „wo bleit denn der Wagen?“ Antwort: „Sie stehen nicht auf unserem Plan“. „Wo geht’s denn hin?“ Ich: „Zur Dialyse als Corona-Patient“ Man antwortete man mir: „Bis wir soweit fahren können, wird es Nachmittag, vorher geht gar nichts“. Ich lehnte dankend ab! Ich nutzte erneute den eigenen PKW. Auf dem Heimweg begleitete mich das Pech. Bei wirklich sehr schlechten Wetter stand ich stadtauswärts lange im Stau. Aber ich wäre ja nicht ich, wenn ich nicht eine Umgehung wüsste. Als ich die so ca. 300 Meter gefahren war, erkannte ich der Weg war gesperrt, man leitete mich um und so befand ich mich nach Kürze wieder am Ende des Staus von zuvor … Nach über einer Stunde, sonst 20 Minuten, trudelte ich zu Hause ein.

 

Die Dialyse verlief in der Zeitmaschine soweit gut. Einzig und alleine die Symptome nach der Dialyse zweitversetzt, machen mir sehr zu schaffen. Ich kann so bis zum nächsten Tag nichts essen, muss mich hinlegen und kann nur schlafen. Corona selbst macht bis auf sehr leichten Husten und Schnupfen keine Probleme. Ohne die Dialyse am Morgen hätte ich einen fast symptomfreien Verlauf.

 


Verspätung durch Hochwasser

11.04.2022: Auch heute obwohl bestellt, war vom Krankenwagen um 8:30 Uhr nichts vor Ort zu sehen. Auf Nachfrage erhielt ich die Antwort, dass man wegen dem Saar-Hochwasser, aktuell mit den Terminen so in Verzug wäre, dass sich meine Fahrt um zwei Stunden verschieben würde. Ich sagte den Termin ab und entschied mich jetzt fest selbst zu fahren. Es war ja nur noch heute und am Mittwoch. Gerne fuhr ich nicht zur Dialyse, da es mir nach der Letzten erneut wieder sehr schlecht ging.

 

Die Dialyse war soweit Ok, wobei mir innerlich die Räumlichkeit zu schaffen macht. Ich fühlte mich hier wie in einem Bauwagen. Es gibt überhaupt keinen Punkt der dazu beiträgt, dass man sich wohlfühlt. Ist dies heute nicht mehr für eine gute Patientenversorgung wichtig? Die Einhaltung der  Strengen Hygienemaßnahmen bewirkten in mir die Frage, warum sondert man uns eigentlich ab …? Gesundheitsminister Lauterbach sollte mich hier mal besuchen, damit ich ihm beweisen kann, dass Corona nicht so bedrohlich empfunden wird, wie von ihm medial dargestellt. Die frühe Dialyse belastet weiter sehr. Die eine Dialyse bis zur Freitestung schaffe ich sicher noch. Corona ist unaufällig und ich bin froh, Corona statt Männerschnupfen bekommen zu haben.


Androhung eines Platzverweises mit positiven PCR-Test

 

13.04.2022: Heute erfolgte in der Dialyse ein erneuter PCR-Test. Um wieder zurück ins Zentrum zu kommen, müsste der CT-Wert mindestens 30 erreichen. Ich war voller Spannung, denn ich möchte aus der Frühdialyse raus, die ich absolut nicht vertrage! Mir ist es in den letzten 15 Jahren, bewirkt durch die Dialyse, nie so schlecht ergangen!

 

Das niederschmetternde Ergebnis, CT-Wert 22. Ich muss weiterhin in der Zeitschleife der ISO-Station und frühen Dialyse verbleiben. Mit der Feststellung ging es mir um es schlicht darzulegen, beschissen! Corona machte mir weiter keine Probleme. Bisher nur kratzen im Hals, leichter Husten und Schnupfen.

 

Ich schrieb nun in meiner Überforderung unserem Oberarzt, zu dem ich Vertrauen besitze, eine E-Mail. Darin schrieb ich: „wie Sie sicher mitbekommen haben, ist mein PCR-Test vom CT-Wert erst bei 22. Das bedeutet weiter Quarantäne. Nur schaffe ich es nicht weiter mit der frühen Dialyse, mir geht es nach der Dialyse und am Folgetag nicht gut. Mit dem Essen klappt es daher nicht und Magen Darm spielen auch verrückt. Entweder finden Sie eine interne Lösung für mich, um am Mittag zu dialysieren oder eine externe, bis ich wieder frei getestet bin.“ Ich stellte so dar, ich wäre auch bereit kurzzeitig in eine externe Praxis zu wechseln, um die frühe Dialyse wegen Corona zu vermeiden. Dass dies möglich wäre, hatte ich in einem Brief an alle Dialysepatienten im Saarland in Zusammenarbeit mit der Uniklinik Homburg, dem Gesundheitsministerium, der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung dargestellt. Die KV hatte den Brief über Ihren Verteiler versendet. Hierauf hatte ich mich nun Berufen, denn ich hatte ein medizinisches Problem, dass mich schwer belastete und Kräfte wie Lebensqualität raubte.

 

Als Antwort erhielt ich: „Wie wir Ihnen bereits mitgeteilt haben, sind wir aktuell gezwungen, COVID-positive Patienten am Vormittag zu dialysieren.  Insofern sind wir Ihnen bereits entgegengekommen, Ihnen eine Dialysemöglichkeit um 10:00 Uhr anzubieten. Einen späteren Beginn der Dialyse können wir Ihnen leider nicht anbieten. Es tut uns leid, dass wir offenbar Ihren Bedürfnissen nicht zufriedenstellend nachkommen können. Es steht Ihnen daher selbstverständlich frei, sich eine andere Dialyseeinrichtung zu suchen, die vielleicht eher für Sie geeignet ist.“ Diese Antwort ging auch an den ärztlichen Direktor der Klinik.

 

Die Antwort machte mir zu schaffen. Nicht weil ich mir eventuell eine neue Dialyse suchen sollte, sondern aus einem ganz anderen Grunde. An die eventuell auch ein Arzt bei solchem Handeln nicht denkt.

 

2019 hatte ich medizinische Probleme wozu ich stationär aufgenommen wurde. Als man mir nicht wie gewünscht helfen konnte, hat man mich, da man das Bett benötigte, innerhalb einer Stunde montags früh entlassen. Also sozusagen fortgejagt. Eine Problemlösung zu finden wurde nicht mehr verfolgt, denn mein Bett wurde ja benötigt. So stand ich wie ein begossener Pudel mit meinen Problemen da. Hier wo ich mir Milderung erwartete, verwies man mich überstürzt wie ergebnislos. Meine Krankheit drückte mich so in der Empfindung in die Enge.

 

Wenn ich von meiner Krankheit in die Enge getrieben werde, neige ich zum verbalen Sarkasmus. So ist es dann zu einem folgenschweren Gespräch zwischen meiner damaligen Dialyseärztin und mir gekommen.

 

Sie fragte mich sehr freundlich nach der Rückkehr aus der Klinik, wie es mir gehe? Meine Antwort: „Für diese Frage können Sie mir auch einen Schimpansen ans Bett schicken, der ist genau so hilfreich für mich, wie meine Ärzte! Nur er belustigt mich eventuell etwas.“ Meine Ärztin wusch mir ordentlich den Kopf für diese Antwort. Ich wiederum verfasste für die Medizinpresse, mit Sicht auf die Langzeitpatienten, über diese Abläufe einen Bericht. Hier stellte ich den Vorfall der Klinik wie die Situation mit dem Schimpansen dar. Mein Ziel war es die Tragödie, nicht mehr therapierbar zu sein, die bei vielen Langzeitpatienten dahinter steht aufzuzeigen. Viele dieser Patientengruppe vertragen teils einfache Medikamente nicht mehr. Sie verzichten auf diese trotz starker Schmerzen. Mit dem Pressebericht hatte meine Ärztin am Ende ein großes Problem. Ich wurde zu einem Gespräch geladen, bei dem alle Ärzten der Praxis anwesend waren. Sie erklärte mir, dass der Artikel unser Arzt-Patientenverhältnis so gestört hat, dass ich mir nach 29 Jahren, innerhalb weniger Tage (zwei Dialysen), eine neue Dialyse suchen muss.

 

Da ich damals heute noch mehr gesundheitlich angeschlagen war, entschied ich mich zum Wechsel in die teilstationäre Dialyse.

 

Erneut war es jedoch dazugekommen, dass ich mit einem medizinischen Problem verabschiedet wurde, statt Hilfe zu erlangen. Der Bericht in der Presse stellte die Problematik deutlich dar. Die Ärztin, zu der ich vertrauen hatte und immer noch hätte, verwies mich jedoch des Platzes.

 

Für mich war die Antwort des Oberarztes, mit den zurückliegenden Erfahrungen, beängstigend. Muss ich mich zukünftig darauf einstellen, dass ich bei einem medizinischen Problem statt ernst genommen, entlassen werde? Ist das was ich erlebe die Medizin der Zukunft? Patient schweige stille oder verlasse die Einrichtung, wenn wir Dir nicht gerecht werden. Oder muss ich mit Tränen in den Augen unter dem Leidensdruck zusammenbrechen, damit mir glauben geschenkt wird? Das war leider noch nie meine Art im Umgang mit meiner Krankheit und wenn, nur innerlich nach außen unsichtbar. Was man bräuchte wäre ein Arzt, der auch mal nachfragt, nachhakt Interesse zeigt und zu einer Art Motivationstrainer für mehr Lebenszeit wird. Gute Ärzte sind vor Ort, nur die aus Anfangszeiten, gibt es leider nicht mehr.

 

Ich wollte natürlich in der Klinik verbleiben. Darum versuchte ich die Situation zu beruhigen und antwortete: ich glaube Sie können mir zustimmen, dass ich meine Therapie, seit Jahrzehnte gut manage. Es gibt und dies wurde oftmals nachgewiesen, nur eine Situation, die ich nicht wirklich gut toleriere, das ist die frühe Dialyse. Warum dies so ist, konnte mir keiner erklären. Aber es trägt dazu bei, dass ich selbst aus persönlichen Gründen und für Feierlichkeiten, auf die Verschiebung von Dialyseterminen immer verzichte. Der Leidensdruck hierfür ist mir zu hoch. Ich setzte mich ja nicht grundlos so energisch an dem Punkt ein. Ich nehme mir auch nicht absichtlich vor den Oberarzt zu ärgern. Nein ich habe ein medizinisches Problem und suche beim Arzt meines Vertrauens Unterstützung und Hilfe. Ich denke, mir nahe zu legen zu gehen, war sicher genau so etwas über das Ziel gegangen, wie meine E-Mail mit aller Gewalt eine Lösung zu erhalten. Aber ich habe eigentlich nicht vor die Klinik zu verlassen. Also ich würde weiter gerne in der Klinik verbleiben, leicht ist es mit mir nie, das ist jedem bewusst der mit mir medizinisch in Verbindung steht! Aber so habe ich 43 Jahre bisher überlebt. Alle Ärzte die mich hier bisher betreut haben, sind trotz allem eines Tages unbeschadet in Rente gekommen. Sollte ich hier wie gesagt übers Ziel herausgeschossen sein, entschuldige ich mich hierfür recht herzlich bei Ihnen.“

 

Fazit: Ich habe hier zwar zurückgerudert, aber die Situation kennen neben mir viele Langzeitpatienten. Der Zustand trägt  dazu bei, dass viele dieser Patientengruppen lieber versterben, als noch groß in die Abläufe medizinisch/klinisch einzutreten. Dazu tragen Ärzte und Pflegepersonal bei. Die Frage, ob es der Antrieb beim Team für den medizinischen Beruf war, so eine Reaktion durch sein handeln zu bewirken, bleibt offen ...  Viele der Patienten reduzieren sich nur noch auf bestmögliche Lebensqualität. Aber selbst diese wird ihnen nicht mehr gegönnt, wenn es ein Dienstplan nicht erlaubt! Man darf erwähnen, dass unsere Lebensqualität gegenüber gesunden bei 20 % liegt. Diese 20 % sind unsere 100 %! Selbst die wird uns nicht überall gegönnt! Wir nehmen nichts zur Schmerzmilderung ein, da wir es nicht vertragen. Dass wir keine Antibiotika mehr vertragen, verstehen viele unserer Ärzte auch nicht. Würden wir sie lassen, würden sie uns diese trotz allem munter verabreichen! Wir versuchen nur noch unsere Lebensqualität hoch und den Leidensdruck, so gering wie möglich zu halten. Selbst dies gelingt uns nicht mehr, wenn wir Dinge durchleben müssen, wie eine unverträgliche Frühdialyse! Hier können wir uns nicht schützen und versuchen wir es, werden wir von da, wo wir medizinisch gut eingestellt sind, des Platzes verwiesen! Wenn wir nun überall mit medizinischen Problemen gehen müssen, werden wir ungewollt zum Wanderpokal. So erhalten wir beiläufig noch ein Brandmal. Dabei steht hinter jedem dieser Patienten ein enormer Leidensdruck! Warum lässt man uns, wenn der Patient mündig in seiner Behandlung sein möchte, vieler Orts so im Stich? Diese Hilflosigkeit gegenüber seiner eigenen Gesundheit ist für viele wie jetzt für mich mit Androhung des Platzverweises, das Allerschlimmste!


Corona abstrus …

15.04.2022: Ich fand das Erleben bei Corona heute einfach nur abstrus! Ich bin am 04.04. positiv getestet worden. In der teilstationären Dialyse wurde ich wie zuvor dargestellt, in den Isolierbereich mit kostenloser Zeitreise verlegt worden.

 

Mein CT-Wert war damals 18. Das Gesundheitsamt hat mir geschrieben, dass ich bis zum 14.04. in Absonderung/Quarantäne bin. Der zweite PCR-Test ergab dann auch wie aufgezeigt am 13.04. ein CT-Wert von 22. Das Gesundheitsamt meldete sich erneut und verlängerte die Absonderung bis 17.04. danach, 18.04. darf ich aus der Absonderung.

 

Aufgrund dieses Schreibens wurde ich in der Klinik nun, für die nächste Dialyse 18.04. aus dem Isolierbereich zurück zur Allgemeinheit ins Zentrum geplant. Nachgetestet wurde nicht mehr!

 

Eines war mir sicher ich bin bis Montag sicher nicht bei einem CT-Wert von 30. Somit müsste ich weiterhin ansteckend sein. Aber wenn das Gesundheitsamt sagt, ich bin gesund und dies die polizeiliche Behörde bestätigt, bin ich nun für alle offiziell von Corona gesundet!

 

Ich selbst muss diese Abläufe, auch im Sinne meiner Mitpatienten, nicht verstehen. Den Staat als oberster Dienstherr zweifelt man nicht an erklärte man mir. Das Personal versteht jedoch auch nicht alle Abläufe, viele sind jedoch gedanklich nah bei mir.

 

Aber selbst diese dürfen, wenn symptomfrei, mit Corona, vieler Orts wegen Personalmangel in der Klinik arbeiten.

 

Ein Arzt sagte mir, Corona sei nun nur noch eine Atemwegserkrankung, das Thema sei bei gesunden Menschen, wenn geimpft durch. Nur noch bei Immungeschwächten müsse man etwas aufpassen. Ich habe eine andere Meinung und finde die erlebten Abläufe einfach nur abstrus … Warum isoliert man Corona-Patienten in diesen Abläufen überhaupt noch …?!


Corona negativ

18.04.2022: Im Vorfeld zum heutigen Tage habe ich mich gestern 17.04. zu Hause einem Schnelltest unterzogen. War hier in der Vergangenheit der zweite Strich noch ganz schwach zu sehen, war gestern alles klar und deutlich negativ. Auch heute 18.04. war der Test eindeutig negativ!

 

Soll ich es wirklich mit Tee, Honig und Zitrone darin, geschafft haben, mich von Corona 100 % geheilt zu haben? Laut dem Schnelltest gleiche Marke wie in der Klinik, ja!

 

So hatte mich ab heute das normale Leben wieder. Pünktlich um 12:00 Uhr war meine schwarze Mercedes-S-Klasse wieder vor Ort um mich zur Dialyse zu befördern.

 

In der Dialyse angekommen zeigte ich meinen Test und durfte so in mein altes Zimmer. Ich dialysierte problemlos wieder fünf Stunden und mein Leidensdruck, der frühen Dialyse war vergangen.

 

Dafür wanderten die die gefüllten Bettpfannen wieder in Massen an meinem Bett vorbei und ein leicht beißender Geruch zog wie gewohnt durchs Zentrum. Hier lag ich wieder mit vielen stationären Patienten zusammen, die einem seine eigene Vergänglichkeit, mit ihrem letzten Restleben noch deutlich vor Augen führten. Ich kann zwar mit der Situation umgehen, aber sie belastet. Man liegt ungewollt doch etwas emotional angespannt im Bett. In meiner alten Dialyse war ich dieser Belastung nie ausgesetzt, denn ich dialysierte 27 Jahre dauerhaft im Zweibettzimmer. Später in einem Zimmer mit jüngeren Patienten, wo man auch mal gesungen hat. Nach dem Motto: „Wo man singt da lass dich nieder, frohe Menschen singen „schön“ die Lieder!“

 

In den Stationsbereich, wo ich zuvor lag, konnte ich leider nicht zurück. Aus Altersgründen des Gebäudes kam hier wiederholt ein Stück der Decke durch einen Wasserschaden herunter. So wurde das Zimmer stillgelegt, da ein neues Zentrum kurz vor der Fertigstellung steht.

 

Rückblickend war Corona selbst nicht schlimmer als eine leichte Erkältung, viel belastender waren die Begleitumstände, besonders die frühe Dialyse und ihre Nebenwirkungen. Ich bin für den milden Verlauf dem lieben Gott sehr dankbar!


Abschied tut weh!

27.04.2022: Heute ist die letzte Dialyse im alten Dialysezentrum. Wenn man sich auch auf das neue Zentrum freut, so verlässt man doch mit einem weinenden Auge dieses geschichtsträchtige Anwesen.

 

Wann immer man dieses Zentrum in den letzten Jahren betreten hat, war es eine Zeitreise. Hier standen Regale aus der Anfangszeit (60iger Jahre). Türen hatten noch teils das  Blau der 60iger. Die Betten und Zimmerausstattung stammte aus den 80iger. Die hygienischen Zustände waren so katastrophal, dass ich sie mehrmals der Hygiene auf allen Kanälen angezeigt habe. Ich war der Meinung, ein Gebäude kann zwar historisch sein, aber es sollte den aktuellen Hygieneregeln entsprechen. Aber irgendwie gehörte dieser Zustand auch zum historischen Charm.

 

An der Stelle, wo ich wie hier Fehlentwicklungen aufzeigte, erreichte ich beim medizinischen Team wenige Sympathiepunkte. Hier beherrschte in solchen Abläufen das Meinungsbild: „Ach der Müller Martin, unser Mittelpunktmensch hat mal wieder sonst nichts zu tun.

 

An der Stelle vermute ich hat man nie verstanden, weshalb und wofür ich mich hier als sogenannter Selbsthilfeaktivist, einsetze. Eventuell liegt es an mir, dass ich es einfach vom Charakter nicht vermittelt bekomme. Würde man meine Gedankengänge erfassen, erfolgte gelegentlich sicher die Befürwortung anstelle des Verweises.

 

Ich trete deutschlandweit mit standhafter Überzeugung den Fehlentwicklungen am Patientenbett entgegen. Mir geht es dabei, eine Verschlechterung der medizinischen Entwicklungen für unsere Patientengruppe zu verhindern/aufzuzeigen. Hier vor allem für Mitpatienten, die die Abläufe der Therapie nicht erfassen oder der Mut fehlt, Position zu beziehen. Ich setze mich für die Menschen ein, die jemanden benötigen, der ein wenig auf verschiedene Dinge achtgibt, die sie negativ belasten. Anliegend bemühe ich mich, ihnen wie den Angehörigen in verschiedenen Lebenslagen Hoffnung zu vermitteln, Wegweiser zu sein und sie über ihre Rechte zu informieren. Das ist die Motivation, die hinter meinem Handeln/Arbeiten steht. Es ist nicht meine Absicht dem medizinischen Team auf die Nerven zu gehen! Doch wer wie ich aufsteht und Position bezieht, wird beharrlich als unerträglich empfunden. Wer einen Standpunkt besitzt, zeigt aber seinem Gegenüber jedoch nur, du und Deine Regeln werden von mir ernst genommen. Doch wer möchte in den medizinischen Abläufen, dass alle Bestimmungen/Normen beachtet werden?!

 

Ich bin jedoch der Meinung, es bräuchte mehr Menschen, die gerade darin Verantwortung übernehmen, dass sie eine begründete Position beziehen, sich einsetzen und dafür auch kritisieren lassen. Oder wie in meinem Fall, des Platzes verwiesen werden und immer wieder eine Verwarnung erhalten. Aber gerade hier in der Beobachtung von Fehlentwicklungen wachsen in mir die Kräfte wie Motivation mich einzusetzen. Hier entstehen die Ideen und Energie etwas zum positiven zu verändern. „Ich kann hier leider das „Maul“ nicht halten!“ Dafür erhält man in den Abläufen leider anhaltend ein falsches Brandzeichen in der Wahrnehmung des eigenen Antriebs. Jedoch erhält man andererseits von Patienten und Angehörigen, ein von Herzen Kommendes danke, für Hilfestellungen. Hier weiß man dann, dass es ich lohnte/lohnt, alle Motivation wie Kraft eingesetzt zu haben. Da steht man dann auch in der Anschauung des medizinischen Teams gerne im Abseits. Denn bei den Betroffenen wurde man ungewollt im positiven Sinn zu einem Mittelpunktmenschen der hilfreich ist.

 

In diesem alten Gebäude habe ich viel Kritik geäußert und somit auch erfahren. Hier habe ich auch alle Chefs von der Kindheit bis heute kennenlernen dürfen. Dieses alte Gebäude hat eine Seele, die über allem schwebte und egal, über was man sich ärgerte, beruhigend wirkte. Der Alte Geist hatte über allem seine Hand. Wenn wir nun gehen bleibt er in dem alten Gemäuer zurück.

 

Und so hängen vor allem Mitarbeiter die 30 Jahre und mehr hier gearbeitet haben und Patienten wie ich, mit dem Herzen daran und gehen nur ungern.

 

Dieses Gebäude und alle die wir darin kennengelernt haben, werden immer einen besonderen Platz in unserem Leben wie Herzen besitzen.

 

Lebe wohl Du altes Herzstück der Dialyse!


Eine neue Ära

29.04.2021: Heute beginnt eine neue Ära im Klinikum und wir, die heute alle dabei sind, werden zu Pionieren. So habe auch ich nun erstmals, das neue Dialysezentrum betreten. Dabei war mein erster Eindruck sehr positiv! Alles ist sehr freundlich, hell und weitläufig.

 

Hier gibt es nun einen abgegrenzten Wartebereich, einen Stützpunkt als Empfang so wie sehr viele Flure und Türen. Die neuen Patientenzimmer sind geräumig, freundlich, hell sowie übersichtlich und abgegrenzt. Dies war im alten Zentrum nicht so gestaltet. Wenn hier einer der 12 Patienten auf die Pfanne musste, wurde das Ergebnis vom Aroma mit allen geteilt. Am Ende wurde der Pfannenerfolg noch wie eine Monstranz an allen vorbeigetragen. Hier verlässt nun die Pfanne sogleich das Zimmer, wovon kaum noch außerhalb jemand etwas mitbekommt. Die Zimmer sind durch Glasscheiben abgetrennt und so für das Personal gut im Überblick zu halten.

 

In allen Zimmern sind neue Bettenliegen, die man selbstständig einstellen kann. Das gestaltet die Dialyse im Liegekomfort sehr behaglich. Zuvor hatten wir Krankenhausbetten aus den 80iger Jahren, die von der Schwester per Hebel verstellt werden musste. Ebenso haben wir neue Beistelltische erhalten. Nun kann man wieder gut mit dem Laptop während der Dialyse arbeiten. Hierfür waren die Nachtschränke der 80iger im alten Zentrum sehr unpraktisch.

 

Weiter sind nun in allen Zimmern große TV-Geräte, mit denen man sich während der Dialyse sehr gut die Zeit vertreiben kann. Ebenso wird nach Corona, wieder ein Imbiss mit Kaffee gereicht.

 

Als meine Zimmerkollegin und ich unser Zimmer erblickten, waren wir sehr enthusiastisch. Unser Zimmer liegt zwar sozusagen im letzten Winkel, aber gerade dies befeuerte unsere Freude. Wir haben ein ruhiges wie gemütliches Zweibettzimmer. Aus dem Fenster sehen wir einen kleinen Steingarten mit Treppe und Bäumen. Der Anblick erinnert etwas an ein Affen/Löwengehege eines Zoos. So wartet man innerlich auch immer, dass ein Tier vorbeikommt. Ein Eichhörnchen wie Vögel beim Vö… ähm räusper ... der Fortpflanzung, haben wir schon beobachten dürfen.

 

In den neuen Räumen feiere auch ich Premiere, ich habe nichts, dass ich bemängeln könnte. Wer hier von Patientenseite klagt, tut dies auf hohem Niveau oder liegt, in heutiger Infektionszeit, im Siebenbettzimmer. Zudem steckt noch alles in der Eingewöhnungsphase. In der Eingewöhnung sind das medizinische Team, die Putztruppe sowie die Fahrdienste eingebunden. Das Pflegepersonal ist sehr belastet, gibt aber noch mehr als sonst sein bestes um uns Patienten zu versorgen.

 

Wenn einer Grund zur Klage hätte, wäre es das Pflegepersonal! Denn ihr Arbeitsplatz wurde so weitläufig gestaltet, dass sie nun viele Wege laufen müssen, die sie nebenbei erwähnt, vom Patienten fernhalten. Die Wege sind fast 5-mal soweit im Vergleich zum alten Zentrum. Hier ist sich die Klinik treu geblieben. Baulich wurde auch das Hauptgebäude so geplant, dass man eigentlich Elektroroller zur Verfügung stellen sollte. So liegen nun auch geografisch völlig gedankenlos in der Planung, die nephrologische Station, wie die Dialyse, in unterschiedlichen Gebäuden. Von der Entfernung kaum weiter umsetzbar. Waren die Stationen zuvor in ca. 2 Minuten erreichbar, laufen Ärzte wie Pflegepersonal beider Stationen nun ca. 8 bis 10 Minuten. Solch eine Konzeption ist ein Beispiel von effektivem Zeitmanagement und Personalplanung in höchster Perfektion! Hier würde ich gerne die Argumentation der Klinikführung erfahren, die einem am Ende die nun höhere Effizienz, zwischen zwei und acht Minuten Fußwegen darstellt.

 

Diese bauliche Situation wird vermutlich keinem begreiflich werden, der so arbeiten muss. Ebenso auch nicht, warum der Infektionsbereich gerade in Pandemiezeiten keinen Vorraum/Schleuse erhalten hat. Das RKI sagt: „Die Nutzung eines Isolierzimmers mit Schleuse/Vorraum ist grundsätzlich zu bevorzugen.“ Hier müssen die Türen des Isolierzimmers aktuell offen stehen, damit man die Alarme der Maschinen hört. Die Zimmer sind zwar videoüberwacht aber vermutlich ohne Ton. Steht in diesen Zimmern das Fenster auf, spürt man die Zugluft in anderen Zimmern. Hier sei an das Stichwort Aerosole erinnert: „Eine Übertragung des Coronavirus SARS-CoV-2 durch Aerosole ist in bestimmten Situationen über größere Abständen möglich!“  Immerhin gibt es auch noch MRSA, Noroviren u.v.m. Sieht so heute sicherer Infektionsschutz aus? Bei einem Umbau hätte man an der Stelle dem RKI folge leisten können. Am Ende wird alles dem medizinischen Team auferlegt, dass auch in Haftung genommen wird, wenn sich etwas in der Patientensicherheit ereignet. Auch an der Stelle empfindet man es aus Patientensicht so, als lasse der Arbeitgeber seine Mitarbeiter erneut im Regen stehen.

 

Als Patienten haben wir nichts zu beklagen, doch der Blick über den Tellerrand, um die andere Seite auch zu verstehen, muss mir gestattet sein.

 

Eines fehlt hier sehr, der Geist der alten Dialyse der beruhigend wirkte und in allen Abläufen Sicherheit vermittelte. Er ist leider im alten Gebäude zurückgeblieben und hier muss erst ein neuer einziehen.

 

Sicher wird noch mit großer Prominenz und wichtigen Reden in Anwesenheit der Presse, eine Einweihung samt Imbiss stattfinden. Letzteres ist uns Patienten, um doch eine kleine Kritik zu äußern, am ersten Tag in Form eines Willkommensgrußes, verwehrt geblieben! ;-)

 

Die Dinge auch mit Hintergründen zu erfassen und darzustellen, gelingt womöglich nur den Langzeitpatienten. Sie haben diese Abläufe schon öfter mitgemacht und viele kennen auch noch die Richtlinie und wo sie zu finden sind.


Die Anmaßung eines Langzeitpatienten

11.09.2022: Ein Langzeitpatient wie ich kann sich ungewollt/unbemerkt zum Affen machen. Auf der einen Seite behaupte ich, für mich und meine Patientengruppe gibt es kaum noch ärztliche Hilfe, was auch der Tatsache entspricht, auf der anderen Seite will ich dahin gehend jeden im medizinischen Team missionieren. So missionieren, dass ich meinem Gegenüber versuche meine Überzeugung einzuhämmern. Hierbei stoße ich vielseitig auf Ablehnung und ernte Missgunst. Obgleich ich Gegenteiliges erreichen möchte. Es mag sein, dass ich dabei oft zu viel rede und gleichzeitig zu wenig zuhöre. Was überhaupt nicht meine Absicht ist. So merke ich aktuell an Entwicklungen um mich herum, im Leben kommt eine Zeit, wo man seine Gewohnheiten und entwickelte Persönlichkeit neu für die Zukunft bewerten sollte.

 

Seit über 40 Jahren bin ich Dialysepatient und empfinde die Abläufe nicht als eine Art Schrecklichkeit. Ich war nie ein Patient der freitags den Standardsatz aller Patienten anwendet; „endlich Freitag nun haben wir zwei Tage frei!“ Dürfte ich, würde ich auch Sonntags zur Dialyse gehen. Ich trage auch nie beim Betreten der Behandlungsräume die Mimik, als ob ich das Leiden der Welt auf den Schultern trage, weil ich wieder ans Gerät angeschlossen werde. Ich mache freiwillig fünf Stunden und bezeichne darüber hinaus diese Zeit als Wellness! Ich amüsiere mich immer, wenn ich andere Patienten beobachte, wie sie um jede Minute kürzer feilschen und auf dem Heimweg vor lauter Eile fast die Schuhe verlieren. :-D Sie betreten schon rückwärts gewannt die Einrichtung, die so viel Leid und Unbehagen für sie bedeutet. Sie lassen da auch keine positive Blickrichtung zu, die ihr Leben in den Abläufen einfacher machen würde. Sie nehmen ihre Krankheit nicht so an, sodass sie deren Freiräume erkennen würden. So mangelt es oft auch an der Therapietreue und sie liegen ganz still in ihrem Bett.

 

Ich bin da eine andere geräuschvolle Erscheinung. Betrete ich die Einrichtung, weiß jeder in Kürze der Herr Müller ist da. Hier ein Hallo, da ein dummer Spruch gepaart mit lieb gemeinten Frechheiten und Humor. Aber auch mal einem offenen Ohr, wenn ich spüre, jemanden geht es nicht gut. Ich bin ein Typ der mit seiner Art und viel Gottvertrauen, immer versucht das Beste aus jedem Tag zu erhalten. Irgendwie geht es immer weiter und am Besten in Gott getragen und einer großen Portion Humor. Ich stelle dabei keine Kunstfigur dar, sondern alles ist echt und kommt aus tiefen Herzen und Überzeugung. Ich trage dabei immer die Hoffnung so zu inspirieren, dass andere sich bewusst werden, sie müssen ihre Krankheit ein Stück mehr annehmen, dann können auch sie wieder Lachen. So ist es mir in der Tat schon gelungen ein stilles Zimmer so zu beleben, dass alle zusammen redeten, gemeinsam Musik hörten und die Mitpatienten positiver zur Behandlung kamen. So empfanden sie ihr Schicksal in den gemeinsamen Stunden nicht mehr so belastend.

 

Meine persönliche Art war über viele Jahre so, mit allen Beteiligten lebensfroh, mit Humor sowie frechen Sprüchen umzugehen. Die Art, wo ich mich meist kritisch äußerte, es aber in Wirklichkeit als Anerkennung gemeint war, ist vielseitig unerwünscht. Man versteht meine Art liebevollen Sarkasmus heute nicht mehr und empfindet ihn als störend und beleidigend. So auf alle Fälle mein Eindruck, wenn ich das Augenrollen mit der Aussage, „er schon wieder“ erblicke.

 

Ich war schon immer ein Naturell der jeden auf unzähligen Wegen, gerne zum Lachen brachte und versuchte damit den Ernst der Behandlung zur Seite zu schieben.

 

Ich liebe den Dialog mit Patienten, Personal, Ärzten, Taxifahrer sowie Reinigungskräften. Ich mag es einfach, da ich von Natur aus neugierig bin, mich den Menschen offen zuzuwenden und gerne unterhalte. Ich bin einfach wissbegierig an den Lebendigkeiten meines Gegenübers.

 

Ich sage was, ich frage was, und ich versuche dabei aufmerksam zuzuhören. Ich widerspreche, gebe zu nicht alles zu wissen aber mich für vieles zu interessieren. Dabei bin ich oft mehr an anderen interessiert als an mir selbst. Jedoch versteht man diese Art mehr und mehr so, als sei ich ein ichbezogener Mittelpunkt Mensch. Sicher trifft einem so eine Erfahrung, wenn man so viel Herz investiert. Jedoch kann man damit umgehen, da auch nicht alle so denken.

 

Diese Erfahrung lässt mich aber hinterfragen, warum soll ich noch so wie in der Vergangenheit auf mein Umfeld zugehen?

 

Warum soll ich mich bei den Patienten so zum Clown machen, damit sie erkennen mögen, die Dialyse ist nicht so schlimm, sie bestimmt nicht mein ganzes Leben? Warum soll ich weiter etwas von mir geben, was als störend empfunden wird? Ich kann auch ruhig meine Musik hören und mein Hobby am Laptop bearbeiten. So im Einklang mit mir habe ich die Dialyse von Kindheit an erlernt.

 

Warum soll ich weiter offen auf Personal zugehen, um ihnen erkenntlich zu machen, wir sind wie ihr lebendige Menschen mit unterhaltsamer Biografie und nicht nur euer Arbeitsmaterial?

 

Warum soll ich jungen Ärzten etwas aus alten Zeiten erklären, wenn sie es nicht wissen wollen?! Sie auch nur Aufmerksamkeit zeigen, um nicht verletzend zu wirken? Die Aktenlage zeigt ihnen, wie lange ich an der Dialyse bin, und sollte sie etwas aus der Vergangenheit fesseln, können sie jederzeit sehr gerne nachfragen.

 

Ich verliere meine Leidenschaft nicht für die Sache, wenn ich mich nun in den Räumlichkeiten zurücknehme. Ich setze meine Energie nur da ein wo sie erwünscht ist. Die kommende Zeit, ohne permanente Ansprache aus dem Bett wird mir zeigen, wie wissbegierig man eigentlich an mir wirklich ist. Die Reaktion wird mir demonstrieren zu welchem Affen ich mich als Verbalskorpion, mit der Anmaßung eines Langzeitpatienten machte. Solche Erfahrungen sind aufschlussreich um sich auch mal im Leben mit 50ig, in sehr veränderten Zeiten, neu auszurichten und zu überprüfen. Man ist manchmal in vielen Dingen doch zu anmaßend als Langzeitpatient.


Pflegekräfte an der Belastungsgrenze – Versorgung von Dialysepatienten wird schwerer!

Bildquelle: https://de.dreamstime.com/stockbilder-pflegepersonal-das-unter-burnout-leidet-image38057154
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17.09.2022: Zum letzten Blog-Eintrag erhielt ich die Rückmeldung mit der Frage: „Könntest Du auch mal etwas schreiben, weshalb so viele Mitpatienten sehr respektlos mit dem Personal umgehen?“ Nach dem Lesen dieser Frage war dieser Beitrag gedanklich schon fertig.

 

Nicht nur Patienten sind im Dialysebereich in einer kritischen Position, sondern auch die Pflege! Wo der Patient stark reduzierte Pflegequalität durch schlechte Gesundheitspolitik erfährt, spürt das Pflegepersonal nicht nur diese Auswirkungen in der Arbeit, sondern darüber hinaus auch noch ein Fehlverhalten von Patientenseite. So ist das Dialysepersonal an zahlreichen Behandlungsorten immer größerem Arbeitsstress ausgesetzt. Zum Teil versorgen nur zwei Leute über 30 Patienten. Hierbei besitzen nicht alle Mitarbeiter eine pflege/nephrologische Ausbildung. Überdies sind in diesen Abläufen Doppelschichten, damit Patienten überhaupt noch behandelt werden können, keine Seltenheit. Die Entlohnung ist in der Anerkennung der Leistung wie finanziell teils demütigend.

 

Diese hohen Patientenschlüssel bedeuten eine anhaltende personelle Überlastung durch Hetzjagden in allen Bereichen. Steigende Krankenstände sowie eine erhöhte Fehlerquote sind hier die Folge. In diesen Stresssituationen fühlen sich auch die Patienten nicht wohl und beginnen in den Verläufen z.B. so zu zürnen: „Ich bin schon länger da, warum wird der da, der später kam vor mir angehängt?! „Ich lasse mir das alles nicht mehr gefallen!“ Obwohl die Patienten mit eigenen Augen sehen wie fieberhaft gearbeitet wird, nörgeln sie so, dass geduldige Mitpatienten ins Klagelied mit einstimmen. Ein Ablauf wie auf einer Säuglingsstation, beginnt das erste Baby zu schreien tun es am Ende alle. In völliger Ahnungslosigkeit, was vor ihren Augen geleistet wird, sprechen sie obendrein respektlos von „aufs Kaffee trinkende fokussierte Pflegepersonal.“

 

Die Klage der Patienten ist durchaus berechtigt, jedoch an die komplett falsche Adresse gerichtet. 

 

Wer heute mit offenen Augen und Wissen durch eine Dialysepraxis geht, erkennt, dass das Personal froh ist, wenn es seine Pause (30 Minuten) am Stück bekommt. Zu einem einfachen Schluck Wasser während der Arbeitszeit reicht es selten. Hier kam es in diesem Sommer auch zu Bewusstlosigkeiten. Sind die Arbeiten im Zimmer erledigt, setzen sich die Arbeiten außerhalb fort. Nicht jede Dialyse verfügt über Küchenhilfen, Bettenbezieher und Lagerarbeiter, die Material richten. Dies muss auch noch vom Personal geleistet werden. Die Zeiten von Kaffeekränzchen, wo von Patienten mitgebrachter Kuchen genossen wurde, ist mehr als 10 Jahre vorüber. Vereinzelte Orte der Glückseligkeit soll es noch geben, aber aktuell fahren die meisten Dialysepraxen weit am Limit. Das Personal steht dabei psychisch wie  physisch auch wegen den vielen Corona-Vorgaben sowie Maskentragen, zusätzlich unter gewaltigem Stress.

 

All dem ungeachtet beobachte ich und höre von Mitpatienten von weiteren Auffälligkeiten im Dialysebett? Was gerade bei vielen älteren Herren beobachtet wird ist, dass sie die jungen Schwestern als Lustobjekt betrachten und ihre Hände nicht bei sich halten können. Hinzu kommt es zu derben wie anzüglichen Sprüchen. Einige Schwestern (gerade MFA) sind an diesen Stellen psychisch überfordert. Erhalten aber kaum Hilfestellungen, denn alles wird mit dem Alter der Patienten vereitelt. Selbst wenn, der Patient alt ist und diese Neigung zeigt, dann hat hier verdammt noch mal die Pflegedienstleitung  wie der Arbeitgeber, darauf hinzuwirken, dass nur noch männliche Pflegekräfte an diesen Betten arbeiten! Es handelt sich hier um eine Straftat laut Strafgesetzbuch § 184i Sexuelle Belästigung. Der Arbeitgeber hat hier eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern.

 

Vor Gewaltandrohung gegenüber dem Personal und deren Familien schrecken manche Patienten teils in Abläufen nicht zurück! Auslöser liegen oft darin, dass sie z.B. auf etwas beharren, was der Arzt als Verordnung beendet hat. Viele weiter Konfliktpunkte entstehen in den Effekten. Auch solch eine Handlung zählt laut Strafgesetzbuch „(StGB) § 241 als Bedrohung“ und kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Gefängnisse werden im Bedarfsfall auch mit Dialyse ausgestattet!

 

Personal mit Migrationshintergrund erlebt auch immer mal wieder aus dem Patientenbett starke Diskriminierungen. Auch hier könnte eine Anzeige fällig werden! Solch Patientenklientel verhält sich so, als hätte es nicht mitbekommen, dass der Krieg vorüber ist und man sich wieder mit Handschlag grüßt. Ich finde dieses Verhalten für unentschuldbar!  Hier braucht es auch mal aus dem Patientenbett, von der Pflege wie Ärzten klare wie konsequent  Ansagen gegenüber diesem Klientel.

 

Kommt es zum Essen, sind viele Patienten sehr ungeduldig. Auch diese Situation bewirkt unschönes Verhalten. Da heißt es „hopphopp ich habe Hunger, der Imbiss steht mir zu, dafür zahlt meine Krankenkasse!“ Viele Zentren haben ihre festen Verpflegungszeiten und können erst Essen bereiten, wenn alle wichtigen Arbeiten erledigt sind. Wir sprechen hier teilweise von Dialysen, wo über 30 Patienten von 2 Pflegekräften*innen ohne Unterstützung betreut werden. Teils gibt es in den Abläufen noch große Verschiebungen, da die Krankentransporte mit großen Verzögerungen Patienten bringen wie abholen. Solche Verzögerungen tragen am Abend teils zu unbezahlten Überstunden bei. Ein deutschlandweites Ärgernis für Pflege und Patient.

 

Nach vier fünf Stunden Dialyse beginnt die Abhängezeit. Jetzt wird es in den Betten teils richtig unruhig.  Beim heimgehen verstehen die Patienten, die ja schon Rückwertsgewand die Räume betreten und auf dem Heimweg vor Eile die Schuhe verlieren, keinen Spaß! Sie feilschen zudem mit Personal und Ärzten um jede Minute weniger. Von dem Standpunkt ist längere Dialyse undenkbar! Sich in Besonnenheit üben, bis jeder an die Reihe kommt, ist nicht ihre Disziplin. Hier hat die Dialyse teils wieder Vergleichbarkeit mit einer Säuglingsstation.

 

Weiter hat es das Personal wie Ärzte mit der Patientengruppe der Verschwörungstheoretiker zu tun. Ihre Theorie besteht darin, dass sie meinen alle Fachrichtungen mit den sie zu tun haben, hätten sich in Absprache gegen Sie verschworen. Diese Überzeugung stelle ich mir im Ablauf so vor, alle Ärzte des Patienten gründen eine Facebook/WhatsApp-Gruppe und besprechen, wie man dem Patienten am besten schadet und in den Wahnsinn treibt. Für uns klingt es abenteuerlich, für diese Patienten ist es leider im Empfinden pure Realität. Mediziner gehen davon aus, dass sich hier in der nicht Akzeptanz der Krankheit und die damit verbundenen Auswirkungen sowie Regeln, eine Art Psychose entwickelt.  Die Patienten nehmen nur schwer Hilfe an und interpretieren in ihrer Wahrnehmung, bedauerlicherweise, vieles falsch und fühlen sich stets in der Opferrolle. In Patientenkreisen nennt man diese Mitpatienten fälschlicher weise Wanderpokale. Sie suchen fortwährend Hilfe in anderen Dialysen wo sie aber auch immer wieder scheitern. Was nachvollziehbar ist, die Einrichtung ist neu, doch die Probleme ziehen mit. Die Patientengruppe hat es mit ihrer Erkrankung doppelt schwer. Die Jungen medizinischen Fachangestellten sind hier bei der Patientenbetreuung schlicht überfordert. Darauf wurden sie psychologisch sowie in vielen anderen Punkten nie vorbereitet.

 

Von all diesen Patientengruppen muss Personal heftige Verbalitäten einstecken. Die würde man von zivilisierten Menschen in der Art kaum erwarten. In Teilen der beschriebenen Fällen wären Anzeigen wie Hausverbote gerechtfertigt! Diese Art von Patienten sind zum Glück die Einzelfälle. 

 

Der Ärger der Patienten ist in vielen Dingen nicht unberechtigt, nur begreift sie nicht, dass das Personal an den Stellen nicht der Sündenbock ist, sondern die Gesundheitspolitik, deren Auswirkungen sich vor Ihren Augen im Erleben zeigen.

 

Die Patienten kann ich nur auffordern besonnen zu reagieren. Ihren Unmut den Ärzten vorzutragen sowie sich auch schriftlich bei Ihren Bundestagsabgeordneten wie Gesundheitsministerien zu beklagen. Leider tun dies, die Patienten, aus Bequemlichkeit nicht.

 

Ich stelle mir es sehr belastend vor, wenn Pflegekräfte teils an Betten treten müssen, wo sie sich vor verbalen Attacken, Handgreiflichkeiten und diskriminierenden Äußerungen nicht schützen können. Wer geht so, zu den zusätzlichen Belastungen noch gerne zum Dienst?!

 

Die Situation  wird sich weder für Patienten noch Personal verbessern. Die aktuelle Situation wird alles um ein vielfaches Verschlimmern. Denn durch die Corona-Pandemie und wegen des Krieges in der Ukraine haben sich Energie, Medizinprodukte, Dienstleistungen und vieles mehr so verteuert, dass die Praxisbetreiber inzwischen finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen. Die pauschale Abgeltung für die Behandlung wurde den Preisen noch nicht angepasst. Politisch wird sogar gefordert, Leistungen weiter einzusparen. Ein Inflationsausgleich wäre sicher der erste Schritt, damit die Praxen wirtschaftlich handlungsfähig bleiben. Erste Krankenhäuser werden schon durch diese hohen Verluste geschlossen, den Dialysepraxen wird es nicht anders ergehen, wenn sich nicht schnell etwas ändert. Das Angebot der Dialyseplätze wird sich so verringern, wobei die Menschen der Babyboomer-Jahre immer mehr ins Gesundheitswesen drängen. Wird gesundheitspolitisch der Pflegeberuf nicht attraktiver gestaltet, flüchten noch mehr Pflegekräfte aus dem Beruf. Das macht die Lage nicht nur im Dialysebereich immer schwieriger. Es wird eventuell soweit kommen das man eines Tages, wie in der Pandemie einen Lockdown verhängt! Warum? Damit sich Menschen nicht mit etwas infizieren, sich Brüche zuziehen oder verletzen, da diese Belastung das Gesundheitssystem nicht mehr schaffen würde. Warum hier nicht alle Alarmglocken Sturmläuten verstehet man nicht. Um uns zu Verteidigen ist doch auch Sondervermögen vorhanden, warum nicht auch für Gesundheit. Nur Gesunde können das Land im Ernstfall schützen. Das alles spielt doch auch in die Überlastung des Personals mit. Sorry für die Abschweifung vom Hauptthema.

 

Als Patienten verlangen wir immer so behandelt zu werden, dass man versteht, wir sind auch während der Dialysebehandlung im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte. Wenn wir so behandelt werden möchten, sollten wir uns auch so Verhalten!

 

Es gibt auch zweifellos Personal, dass nicht vorbildlich in der Behandlung und Umgang mit dem Patienten ist. Hier werden Patienten teils so gereizt, sodass sie sich hilflos fühlen und zurecht ungehalten werden. Dieses Pflegeverhalten ist ebenfalls nicht zu akzeptieren. Schwarze Scharfe gibt es so auf beiden Seiten des Patientenbettes. Wenn sie als Mitpatienten so ein Verhalten im Zimmer beobachten, dürfen sie ihre Mitpatienten wie Personal Grenzen aufzeigen und deutlich darstellen, sie tolerieren dies weder privat noch hier. Dabei immer daran denken: „Der Ton macht die Musik!“

 

Bei der Dialysebehandlung entstehen sowohl im ambulanten wie teilstationären Bereich, anders als auf Klinikstationen, Langzeitkontakte zu den Patienten. Personal wie Patient werden so stetig gläserner und emotional angreifbar. Die professionelle Distanz geht häufig verloren. Häufig reden sich sogar Ärzte und Patienten mit Du an.  In allen privaten Verhältnissen braucht es ein Grundstock von Regeln wie Kompromisse, an die sich jeder verpflichtend hält. Wünschenswert wäre, wenn diese von Patient, Pflege und Ärzte gemeinsam erarbeitet würden. Gleich wie eng die Verbindung zueinander gewachsen ist, es muss an jedem Patientenbett klar zu erkennen sein, dass es um Menschen geht und um kein Arbeitsmaterial sowie Leibeigene! Für die meisten Patienten, Personal wie Ärzte ist dies eine Selbstverständlichkeit und sie sollten sich hier nicht angesprochen fühlen. Tatsache ist es jedoch die Pflegekräfte sind in allen Bereichen mehr und mehr am Limit ihrer Belastungsgrenze. Wird nicht positiv gegengesteuert, wird es schon bald sehr schwer in der Versorgung von Dialysepatienten.

 

Martin G. Müller

Spektrum Dialyse


Der Langzeitpatient im Wandel der Medizin und Zeit ...

Anfang

1976 erkrankte ich chronisch an den Nieren. Seit 1979 werde ich mit der Dialyse behandelt. So gehöre ich gleichzeitig mit zur ersten Generation nierenkranker Kinder in Deutschland, welche bis heute mit der Nierenersatztherapie, auch Transplantation, regelmäßig behandelt wurden. Zuvor gab es für Kinder kaum regelmäßige Therapieangebote. So war mein großes Glück in einer Zeit zu erkranken, wo sich die Behandlung der nephrologischen Pädiatrie im Aufbau befand.

 

In dieser sogenannten Pionierzeit lernte ich alle Ärzte der ersten Stunde, an der Universitätskinderklinik Heidelberg, da sie mich persönlich behandelten kennen. Es waren Menschen aus den Bereichen Nephrologie, Kardiologie, Psychologie, Lehrer*innen, Ernährungsberater*innen, Urologie, Chirurgie, Shuntchirurgie, Pflege (Station/Dialyse) Dialysetechnik und Industrie. Alle diese Pioniere*innen standen mit an meinem Krankenbett.

Alle genannten Fachbereiche und Fakultäten haben zu dieser Zeit ihre Erfahrungen gesammelt und in fachübergreifenden Konzilen (vom Prof. bis Assistenzarzt) besprochen. Die Größe der Konzile habe ich bis heute nie wieder gesehen. Teils fanden solche Zusammenkünfte im Hörsaal statt.  So wurden für die Patienten in vielumfassender fachlicher Runde, Behandlungsstrategien angefertigt.  Jeder der Teilnehmer kannte den Patienten und hatte seinen Therapieverlauf im Blick.

 

Das erlangte Wissen wurde einige Jahre später durch aussenden dieser Ärzte an andere Universitäten deutschlandweit wie international weitergetragen. Wir kleinen Patienten lieferten so mit die Daten für den Ausgangspunkt der Kindernephrologie.

Mit Bewunderung denke ich oft über diese  spannende Zeit nach. Es ist für mich faszinierend, in welcher außergewöhnlichen Zeit von medizinischen Abläufen ich groß geworden bin. Ich lernte medizinische Entdecker, Wissenschaftler, Wegbereiter und Pioniere der Medizingeschichte dieser Fachrichtung nicht nur kennen, sondern ich war wie meine Mitpatienten  Hauptbestandteil!

 

Die Entwicklung der Kindernephrologie ist für mich mit den medizinischen  Errungenschaften der Größen eines Prof. Robert Koch, Prof. Paul Erlicher, Prof. Ferdinand Sauerbruch  und weiteren gleichzusetzen. Leider wurden die Leistungen der Ärzte nie in der Art dieser Medizingrößen gewürdigt. Dabei ist aus ihren Forschungen wie Entwicklungen  bis heute, über fünfzig Jahre später, eine lebensrettende Behandlung für nierenkranke Kinder in allen Bereichen entstanden. Auf ihrem wissenschaftlichem Fundament wurde alles aufgebaut und weiterentwickelt.

 

In dieser spannenden Zeit lernte ich bis ca. 2015 Mediziner kennen, die Ihren Patienten mit Wissen  als Stütze zur Seite standen. Ihre Namen bleiben immer in Erinnerung. Damals waren Klinikdirektor, Oberärzte,  Assistenzärzte und Nephrologen nah am Patienten. Sie hörten nicht nur, sondern hörten zu. Man war irgendwie erleichtert, weil man sein Leid, seine Unsicherheit nicht mehr allein tragen musste. Medizin wurde damals erklärt und war, da die Ärzte die Sprache der Patienten sprachen, gut verständlich. Zuhören besitzt eine heilende Wirkung.

 

Heute verstehe ich die Medizin in ihrer Veränderung nur noch schwer. Man erkennt auch keinen mehr der in der Hektik des Medizinalltags wirklich nachhaltig zuhört. Die Definition der Patientensicherheit ist für mich inzwischen, wo alle Abläufe arbeitstechnisch, personell wie zeitlich auf Kante genäht sind, ein Buch mit sieben Siegeln!

 

Fallbeispiel

Hier ein Beispiel das „ich“ (Patient) vor Kurzem mehr oder weniger, da ich medizinisch nicht unwissend bin, zum Schutz eines Patienten verhindern konnte.

 

Einem Dialysepatient*in wurde von zwei Fachrichtungen außerhalb der Nephrologie ein Medikament verordnet. Die jungen Assistenzärzte im Nierenbereich, haben pflichtbewusst alles was die Fachrichtungen vorgaben, in die Wege geleitet. Keiner hinterfragte jedoch, ist die Therapie im nephrologischen Bereich überhaupt für meinen Patienten möglich/erlaubt? Ich stellte jedoch diese Fragen da ich davon im Dialysebereich, auf Kongressen oder Fachliteratur, noch nichts gehört oder gelesen hatte. Da ich keine Antwort von den Ärzten erhielt, recherchierte ich dazu. Mit meinen erlangten Ergebnissen verunsicherte ich die Ärzte so, dass sie bei ihren Vorgesetzten genauer nachfragten. Im Anschluss kamen sie zum Patienten und erklärten, dass das Medikament bei Dialysepatienten ehr kontraproduktiv sei und daher in der Anwendung nicht möglich ist.

 

Auf meine Frage wie alles verlaufen wäre, wenn ich geschwiegen hätte, schaute man mich nur schweigsam an. Sicher wäre der Patient nicht gestorben, aber er hätte einen unnötigen wie großen Leidensweg gehen müssen. Ist das zuverlässige Patientensicherheit? Jedes Management würde offiziell diese Frage sicher mit Ja beantworten.

 

Stationäre Dialyse

Ein Assistenzarzt in der Fachausbildung  versteht heute weder am Anfang noch teils am Ende seiner Dienstzeit alle Abläufe der Dialyse. Positive Ausnahmen gibt es. Das bedeutet jedoch, er behandelt Patienten, obwohl er die Therapieabläufe, Therapieoptionen und Zusammenhänge noch nicht erfasst! Es fehlt das Wissen, dass man einen Patienten mit z.B. Phosphatproblemen nicht nur medikamentös, sondern auch mit  größerem Dialysefilter, längerer Dialysezeit, höherem  Dialysatfluss sowie Blutfluss behandeln kann. Beim höheren Blutfluss denkt er auch nicht an andere Druckverhältnisse, um so für den Shunt eine andere schonendere Nadelart anzuordnen. Ob bei erhöhten Blutwerten, an eine Rezirkulation im Shunt gedacht wird, bleibt fraglich. Die jungen Ärzte kennen auch meist nicht die Situation der Molekularstruktur der verschiedenen Dialysefilter und daher meist auch nicht, welche Medikamente durch die Dialyse zeitnah wieder verloren gehen.

 

Viele können nicht mal selbstsicher einen Shunt punktieren. So kennt auch kaum einer die Punktionstechniken, um damit Shuntprobleme zu beheben und einen Shunt zu entwickeln. Er versteht „noch“ nicht, wie die Einstellungen der Maschine, das Wohlbefinden des Patienten nicht nur an der Dialyse, sondern auch danach zu Hause beeinflussen.

 

So wird in diesen Abteilungen ohne großes Wissen behandelt. Das junge Dialysepersonal (häufig medizinische Fachangestellte) kann nicht wie die nephrologische Fachpflege, diese Wissenslücke ausgleichen. Auch hier stellt sich die Frage nach der Patientensicherheit. Die Direktion würde darauf verweisen, es ist noch keiner zu Schaden gekommen. Nach der Lebensqualität des Patienten fragt jedoch keiner!

 

So sieht die Patientensicherheit aus, die wir als Langzeitpatienten erleben und vom Qualitätsmanagement ohne Aussage zu Lebensqualität zertifiziert wird! Die Frage nach den Professoren und Oberärzten an den Patientenbetten, die das Wissen besitzen, welches wir Altpatienten benötigen, stellt man erst gar nicht mehr. Die erblickt man wenn nur in der Ferne am Horizont wie die Heiligen drei Könige vorbeiziehen. Das hat jedoch auch alles einen gesundheitspolitischen Hintergrund.

 

Gesundheitspolitik

Seit im Jahre 2003 die Pauschalerstattungen eingeführt wurden und Krankenhäuser fortan Gewinne erwirtschaften mussten, reduzierte sich Pflegepersonal/Ärzte fortwährend. Derzeit schreiben 60 % der Kliniken rote Zahlen. Kommt kein Inflationsausgleich für die Einrichtungen, droht ein weiterer flächendeckender Personalabbau. Der steht im Gesundheitsbereich in naher Zukunft sowieso bevor. 50 % der heutigen Ärzte sind aus den Jahren der Baby-Boomer und gehen somit in den nächsten Jahren in Rente. Es fehlt dann Massiv der Nachwuchs. Die neue Generation Ärzte wird jedoch gleichzeitig nicht mehr so viele Stunden arbeiten wie die Ärzte heute. Sie lassen sich nicht mehr ausbeuten. Für sie ist Familie und Freizeit ein wichtiger Lebenspunkt. Bis ins Jahr 2030 werden,  wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, 500.000 offene Pflegestellen erwartet. Aktuell fehlen schon 200.000 Pflegekräfte. Durchschnittlich bleit heute eine Pflegestelle 240 Tage unbesetzt. 2035 fehlen über dies durchschnittlich 11.000 Ärzte. Bis 2035 werden 30.000 Ärzte altersbedingt laut der Robert Bosch Stiftung aus dem Beruf ausscheiden.

 

Es ist sicher notwendig eine Krankenhausstrukturreform durchzuführen, doch wie möchte man die Patienten, die dann in den ambulanten Bereich verschoben werden sollen behandeln? Wenn Ärzte und Pflegekräfte wie dargestellt fehlen, werden diese auch im ambulanten Bereich nicht vorhanden sein! Am Ende stehen die Patienten erneut vor den Krankenhäusern, von denen dann wohl schon einige geschlossen wurden. Ich kann ein Haus im Bau noch so schön planen und ankündigen, jedoch ohne Material wird es eine Luftnummer bleiben.

Wie wird sich die Patientensicherheit in allen Bereichen mit diesen Abläufen entwickeln? Eine Antwort können da wahrscheinlich auch die Controller nicht mehr formulieren. Die Frage wo hier noch Zeit und Hilfe für Langzeitpatienten zu finden ist, stelle ich erst gar nicht mehr!

 

Zukunft mit intelligenter Technik

Die Lösungen den Personalmangel auszugleichen sucht man nicht mehr in erster Linie beim Menschen, sondern in der Technik. Inzwischen kommen Roboter längst nicht mehr nur in der Gastronomie zum Einsatz. In Pflegeheimen wie Krankenhäuser werden Pflegeroboter getestet. Hier stehen nun vieler Orts schon  Roboter und singen oder turnen mit den Senioren. In einigen Krankenhäusern bringen in Testphasen Roboter Getränke, Essen und Medikamente ans Bett oder die Patienten zu Untersuchungen. Ein Bild das in Japan zum Alltag gehört. Japan setzt angesichts seiner rasant alternden Gesellschaft bei der Pflege verstärkt auf Roboter wie künstliche Intelligenz. Die menschliche Zuwendung mit Empathie, welche in der Medizin so wichtig ist, kann durch Technik nicht ersetzt werden. Ob sie jedoch in der Zukunft noch so erwünscht ist, wie hier von früher dargestellt wurde, lasse ich offen.

 

Alles wird für die Zukunft auf Technik und Einfachheit ausgerichtet selbst die Patientenzimmer. Zimmer stellt man sich laut einer Pressemeldung zukünftig so vor: „Eigene Bäder für alle Patient*innen, fugenlose und leicht zu reinigende Nachttische mit schmutzabweisenden Oberflächen, Desinfektionsmittelspender, die bei Benutzung einen Smiley zeigen: So könnte das „Patientenzimmer der Zukunft“ aussehen. Der begehbare Demonstrator eines solchen Zweibettzimmers wurde am 31.08.2022 auf dem Gelände des Städtischen Klinikums Braunschweig schon eröffnet.“

 

Veränderte Abläufe

Wo wir früher im teilstationären Bereich als Patienten, noch regelmäßig vom Wissen des Chefarztes, Direktor, Oberarztes am Bett profitieren konnten, fehlt die Erfahrung heute an dieser Arbeitsstelle vieler Orts vollständig. Die Zeit die sie früher noch hatten, geht heute bei großen Kongressen wo sie weltweit Vorträge halten sowie  Daten ihrer Forschung präsentieren, verloren.  Auch die Ausbildung der Assistenzärzte  durch Oberärzte bei regelmäßigen Visiten an der Dialyse wie früher, wo mit dem Patienten noch gesprochen wurde, sind  fast komplett verloren gegangen. In diesen Abläufen erkennt man keine zeitnahe Behandlung mit zielführenden Strukturen mehr. Bis zu einer Diagnose können sechs bis acht Wochen vergehen. Es fehlen in allen Bereichen Ärzten wie früher, die durch Beobachten und mit detektivischem Gespür wie Empathie, versuchten Krankheiten aufzudecken. Die Patienten dabei erst mit der Hand statt mit Gräten untersuchten und sich am Ende durch die Betätigung kindlich freuten, da sie sich die Diagnose gleich so gedacht hatten. Das muss für die Ärzte ein tolles Gefühl gewesen sein, welches die heutige Generation kaum noch in der Form aus ihrem Beruf kennen dürfte. Der Langzeitpatient stellt Erwartungen an das neue System, die inzwischen realitätsfremd sind. Die Patienten müssen sich nun erneut in einer neuen Medizinepoche ausrichten. Ob dies jedoch noch allen mit nun teils schwacher Lebenskraft noch gelingt …?!

Bildrechte bei Shutterstock Quelle: https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Am-Ende-ist-noch-lange-nicht-Schluss-358712.html
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Fazit:

Wie hieß es bei Loriot? „Früher war mehr Lametta!“ Die Anfangspatienten der 70iger Jahre haben zahlreiche Epochen der Medizingeschichte bis heute durch/-und überlebt. Sie haben über alle Jahrzehnte, von der verbal/- bis hin zur heutigen digital und Roboter unterstützter  modernen Medizin Daten geliefert. Die Zeiten der großen fachübergreifenden Konzile im Bemühen um ihr Wohlergehen sind lange beendet. Die Hörsäle, wo sie einst wie Stars besprochen wurden, befinden sich im Abriss. Die Patienten selbst laufen als kleine Gruppe noch immer an der Spitze und erdulden Krankheitsbilder/Symptomkomplexe, die heute in der digitalen Ignoranz und engen Zeitfenster der Heilkunst unverstanden bleiben. Im klinischen Ablauf werden sie anonymisiert  Opfer der Triage. Die ärztliche Denkweise lautet, hier entzieht man sich medizinischer Hilfe. Die Bewegründe, die durch zahlreiche Therapieerfahrungen, teils über Jahrzehnte dazu führen, werden nicht erfasst. Die knappe Zeit wird so in Patienten angelegt, die sich erkennbar helfen lassen. Diese Pionierpatienten wurden von Kindheit an geschult sich mit Ihrer Krankheit auseinanderzusetzen, um so gemeinsam mit den Ärzten auf Augenhöhe ihre Therapie zu besprechen. So lesen sie zu den Bereichen ihres Krankheitsbildes medizinische Fachliteratur und besuchen online Fachkongresse. Nun entsteht jedoch eine ganz andere  Problemlage. Der Patient ist auf einem aktuelleren Stand als der Arzt. Um die vorgeschlagene Therapie von Patientenseite zu verstehen, müsste sich dieser einlesen, um mit dem Patienten auf Augenhöhe alles besprechen zu können. Dazu fehlt ihm im klinischen wie im niedergelassenen Bereich erneut die Zeit. In diesen Abläufen und Veränderungen kommen nur noch die Patienten weiter, die nach Jahrzehnten noch keine Unverträglichkeiten und Besonderheiten besitzen. Der Rest der Gruppe schwindet immer schneller, da sie sich nicht mehr in solche klinischen Abläufe begeben. Sie nehmen lieber teils die Todesfolge an. Befinden sie sich in Notlagen mit Bewusstseinsstörungen und werden standardisiert behandelt, versterben viele aus der Beobachtung in Kürze. Der Langzeitpatient hat im Wandel mit seinen komplexen Krankheitsbildern keinen Platz mehr, wo er medizinische Hilfe findet. Er sitzt nun bildlich dargestellt, auf seinem Pferd und reitet Richtung Sonnenuntergang! Wenn es für ihn positiv läuft, winkt ihm noch ein Arzt, der die Situation begreift, am Horizont nach …

 

Martin G. Müller

Spektrum Dialyse


Eine Limonade als Merkmal des verlorenen Selbstbestimmungsrechtes - Nierenpatienten werden zukünftig genötigt, Nebenwirkungen durch Neuerungen auszuhalten!

15.01.2024 Kennen Sie die folgende Situation als Patient? Alles in Ihrer Therapie ist seit Jahren gut eingestellt und man ist in der Behandlung fast unauffällig. Mit stabiler Gesundheit versuchen wir so jeden Tag das Beste aus dem zu machen, was unsere Lebensqualität noch zulässt. Nur nichts unachtsames tun, damit nicht   alles wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht. Dies bedeutet von den Patienten täglich eine große Disziplin in ihrer Lebensführung. Viele versuchen hiermit zusätzlichen Symptomen, um nicht immer wieder auffällig zu werden, vorzubeugen. Denn äußert man häufig Problemstellungen, zählt man beim medizinischen Team schnell zu den Plagegeistern ihrer Arbeit. Gibt es Neuerungen, die wir nicht vertragen, finden wir heute kaum noch schnelle und zielsichere Hilfe, wenn wir überhaupt, bei Personalnot, damit ernstgenommen werden. Immer öfter geht dabei unser Selbstbestimmungsrecht verloren. Ich möchte dies an einem Beispiel aus dem Lebensmittelhandel in Vergleich darstellen.

 

Seit Jahren genoss ich die Limonade „Sprite“ in Dosen. Sie hat schon immer meinem Gaumen in angenehmer weiße geschmeichelt und sie war die einzige Limonade, die ich mit meinen vielen Unverträglichkeiten, bisher vertragen habe. Ich genoss es, aus den gekühlten Dosen zu trinken, und es war irgendwie ein schönes Gefühl, wenn die gekühlte Limonade im Hals prickelte. Dies war ein wohltuendes Lebensgefühl, das die Lebensqualität in den kleinen Momenten im Krankheitsalltag steigerte. Mein Leben wie die Verträglichkeit des Produktes sind seit Jahren genau eingestellt. Im Vergleich wie eine auf mich  speziell angepasste Medikation.

 

Im Juli dieses Jahres hatte der Supermarkt, meine „Sprite“ im Angebot. Wo eine Dose sonst 0,95 € kostete, war der Preis auf 0,49 € herabgesetzt. Als ich dies erblickte, langte ich zu und kaufte drei Paletten (a 24 Dosen). Ich freute mich, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Beiläufig stellte ich fest, Coca Cola hatte das Design der Dose verändert. Zudem war ein kleiner weißer Button auf der Dose. Alles auf der Dose war in Deutsch abgefasst, nur der Inhalt des Buttons war englisch. Einige Tage später nahm ich mir aus dem Kühlschrank, eine Dose öffnete sie unbesehen und trank. Kaum im Mund spuckte ich sie wieder aus. Es schmeckte für mich faul und moderig. Ekelhaft! Ich schüttete die Dose weg und öffnete eine neue. Was soll ich sagen, vier Dosen und immer der gleiche ekelhafte Geschmack. Ich schaute mir nun den Button auf der Dose an und lies: „New Irresistible Taste“ (Neuer unwiderstehlicher Geschmack). Ein Blick auf die Inhaltsstoffe zeigte, statt einer Zitronensäure wie zuvor, stand da jetzt „Weinsäure“. In dem Moment brach für mich eine Welt zusammen. Ich trank nicht nur die Limonade über all die Jahre mit Genuss, sondern ich genoss sie auch aus medizinischen Gründen. Ich brauchte einfach die zusätzlichen Kalorien, die ein Mineralwasser nicht beinhaltet. Ich dachte, ok daran muss ich mich gewöhnen, mit etwas Willen und Durchhaltevermögen, wird es gehen. Jedoch nach dem ich eine Dose getrunken hatte, meldete sich mein Magen. Was sich mit der Zeit auch nicht änderte, sondern schlimmer wurde.

 

Was konnte ich nun tun? Sollte ich zum Telefon gehen und Coca Cola anrufen, um zu sagen: „Hört mal, das Neue „Sprite“ vertrage ich nicht mehr und zudem schmeckt es für mich widerlich. „Ich bin der Martin“ aus dem Saarland, ich brauche es wieder in der alten Rezeptur, auch aus medizinischen Gründen.“ Dabei noch schnell eine leichte Drohung nachgeschoben: „Wenn ihr dies nicht abändert, verliert mich Coca Cola als Kunde und erlangt einen Firmenverlust von ca. 1.300 Dosen im Jahr.“ Das einflussreiche Teammitglied des Callcenters am anderen Ende der Leitung, wird über diese Mitteilung und den zu erwartenden Verlust für das Unternehmen, in Tränen ausbrechen! Jedoch Tränen vor Lachen! Den einzelnen Menschen, nimmt man doch heute an keiner Stelle mehr bei Problem ernst. Es geht bei allem, wie bei der Rezepturveränderung, um Gewinne wie sparen!

 

Ich werde wie so oft in Unverständnis zurückgelassen, dass sich nun meine Lebensqualität durch die Veränderung von außen, stark reduziert! Hilflos stehe ich nun da und kenne keine Lösung ,wieder eine Veränderung ohne Nebenwirkungen, für mein Leben zurückzuerlangen. Übertragen bin ich hier entmündigt worden. Jedoch lässt man mir mein Selbstbestimmungsrecht! Wenn mir das angebotene Produkt nicht behagt oder bekommt, steht es mir frei, auf ein anderes auszuweichen. 

 

Nach längeren Tests und Rückschlägen mit Limonaden anderer Hersteller, bei denen ich auch Unverträglichkeiten mit dem Magen wie allergischen Reaktionen entwickelte, hatte ich Ersatz gefunden. Leider in der Glasflasche nicht wie gewohnt in der Dose. Jedoch bleibt festzuhalten, es dauerte eine Zeit, bis ich wieder ein Produkt gefunden hatte, dass ich ohne Nebenwirkungen, vertragen habe. Ich testete am Ende zwölf Produkte unterschiedlicher Hersteller.

 

Sicher reist diese Darstellung keinen vom Hocker und jeder denkt, was beschreibt er hier für ein belangloses Problem…! Es gibt doch Wichtigeres als die Verträglichkeit einer Limonade! Es war jedoch nur der erste Teil des Vergleichs.

 

Wechseln wir nun mit diesen Erfahrungen in den Bereich der Nephrologie und übertragen die Abläufe in die Dialyseversorgung wie zu Transplantierten.

 

Man steht in der Apotheke und bekommt unerwartet zu hören: „Ihr Medikament ist über länger nicht lieferbar!“ - „Ihr Medikament wurde vom Markt genommen!“ Oder bei der Dialyse erkennt man ein neues Blutschlauchsystem, neues Konzentrat, Heparin eines anderen Herstellers usw. Ebenso kann die Produktion des gewohnten Dialysefilters eingestellt worden sein oder das Zentrum hat wegen besseren Preisen den Hersteller gewechselt. Weiter kann auch aus Kostengründen die Dialysezeit reduziert werden. Mit den Vorgenannten Veränderungen gehen uns so, wenn wir darauf mit Nebenwirkungen reagieren, wichtige Bestandteile unserer Lebensqualität verloren. Ein Zurück gibt es nun nicht mehr ...

 

Wenn wir nun dem medizinischen Team stetig Unverträglichkeiten auf die Ersatzprodukte erläutern, sind alle bemüht, schnell eine verträgliche Alternative für uns zu finden. So wie ich im übertragenen Sinn bei der Limonade. Pflege wie Ärzte sind unerlässlich darum bemüht, eine Besserung herbeizuführen. Man sucht so gleich nach mehreren Alternativmöglichkeiten, die unsere Lebensqualität schnell wieder in die gewohnte Form lenken. So ist zu jeder Zeit erkennbar, wir werden mit unseren Problemen ernst genommen! Dafür ist, wie gerade erwähnt, keinem eine Tätigkeit zu viel und man hat immer ein offenes Ohr für uns, um wiederholt über die gleiche Problematik zu sprechen. Reden hilft oft mehr als Medizin! So haben wir ein medizinisches Trainerteam an unserer   Seite, dass uns stets Zuversicht und Mut vermittelt!

 

Sie sind vom Inhalt des vorherigen Absatzes, da es mit ihrer erlebten Realität als Patient nichts Übereinstimmendes besitzt verwirrt?! Es liegt eventuell daran und dies tut mir leid, dass die vorgenannten Handlungen bei Unverträglichkeiten, aus der ARD-Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ in der fiktiven „Sachsenklinik“ sowie aus der Arztserie „Bergdoktor“ beim ZDF stammen.

 

Wie erleben wir die Realität? Beschreibt man Nebenwirkungen durch Therapieveränderungen, wird erst einmal die Thematik verbal herabgemindert. Gelingt dies nicht, da  die  Probleme beständig sind, hören wir zum Beispiel: „Das bilden Sie sich ein, weil es neu ist!“ „Es braucht eine Zeit bis Sie sich darauf eingestellt haben“, „Sie sind der Einzige, der sowas beschreibt“, „Wenn wir nur so Patienten wie Sie hätten …“, „Damit müssen Sie leben, wir können nichts anderes bestellen!“ „Das liegt nicht in unserer Hand, beschweren Sie sich bei den Verantwortlichen!“ Dies sind keine Fantasien, sondern die Realität, die viele Patienten so in Deutschland zahlreich erleben.

 

Die klagenden Patienten werden dann häufig auf die Schiene zur Mitbehandlung anderen Fachärzten geleitet. Nun beginnt eine Pilgerreise von Arzt zu Arzt und von einer Untersuchung zur nächsten. Das raubt Patienten Kraft, Freizeit und vor allem ihr höchstes Gut, ihre Lebensqualität. Alle diese zeitintensiven Abläufe muss man nun erdulden, da man die eingetretenen Änderungen in der Therapie nicht verträgt. Spricht man den Arzt erneut an, hört man: „Ich kann ihnen noch nichts sagen, es liegen noch keine Ergebnisse vor … Sobald ich etwas weiß, sage ich ihnen Bescheid!“ Das ist eine Aussage, die noch nie zugetroffen hat, da fast alle Ärzte unter „Zeitdruckdemenz“ leiden. Überdies bleiben all diese Untersuchungen meist ergebnislos und man steht wieder am Beginn der Diskussionen. Da man erkennt, dass sich die medizinische Seite weiter verweigert, die Unverträglichkeit anzuerkennen, verabschiedet man sich aus mentaler Erschöpfung, gezwungenermaßen, von einem weiteren großen Stück Lebensqualität. Die Abhandlung des medizinischen Teams gleicht hier einem Seelenmord am Patienten. Was müssen diese nicht  schon so alles ertragen wie erdulden! Dies immer auszublenden, ist die Perfektion in  professionellen Distanz des medizinischen Teams zum Arbeitsmaterial Mensch! Das kann man nicht alles nur mit Personalmangel Entschuldigen. Auch wenn dieser Mangel akute Schwierigkeiten in der Patientenversorgung überall darstellt.

 

Man ist nun hilflos der Situation ausgeliefert und wir müssen zukünftig mit Einschränkungen leben, wo wir genau wissen, sie sind unnötig. Denn wegen einem Kunden/Patienten wird z.B. Fresenius wie Coca Cola keine Produktion umstellen um wieder gewohnte wie verträgliche Qualität für den Betroffenen liefern zu können. Teurere Produkte, die eventuell eine Alternative wären, werden aus Kostengründen nicht angeschafft. Patienten, die diese Abläufe verstehen, fühlen sich der Situation komplett ausgeliefert. Ihr Selbstbestimmungsrecht hat keinerlei Bedeutung. Man könnte sich, ähnlich wie bei der Limonade, nun ein neues Dialysezentrum als alternative suchen, aber ist es da anders ...? Und wenn wie lange … ?

 

Die Situation mit der Limonade kann man durch die frei zugängliche Produktvielfalt zeitnah abändern. Bei Veränderungen in der Therapie besitzt man diese Möglichkeit, wie dargestellt nicht. Zukünftig werden in vielen Bereichen, schon allein bedingt durch Lieferengpässen bei den Wirkstoffen, Arbeitskräftemangel uvm., viele unabänderbare Veränderungen vermehrt eintreten. Diese Abläufe bewirken dann genau die beschriebenen Szenarien. Emotional haben zukünftig Höchstleitungen zu vollbringen!

 

Die angepasste Therapie, die bei der Dialysebehandlung immer so wichtig war, wechselt zur Einheitstherapie, auch bedingt durch ein Pauschalsystem, dass die Kosten nicht mehr deckt. Dialysepatienten, die heute mit der Therapie beginnen, werden  kaum noch Überlebenszeiten von 30 bis über 50 Jahre, wie die Pioniergeneration aufweisen. Das gelingt nur, sollten neue wie revolutionäre Nierenersatztherapien entwickelt werden, die günstiger sind als die aktuelle Therapie.

 

Aktuell werden die Patienten mit zahlreichen Problemen, auch durch Personalmangel wie geringer Ausbildung, allein gelassen. Der Erhalt der Lebensqualität steht lange nicht mehr im Mittelpunkt der Kostenerstattung, sondern einzig die Lebenserhaltung. Doch was für einen Wert bietet das Leben noch ohne Lebensqualität?!

 

Eine Besserung wird es nicht mehr geben! Denn durch alle Mangelzuständen, in allen Arbeitsbereichen, wie dargestellt, leben wir inzwischen in einer Triage-Situation, wo nur noch das vordringlichste umgesetzt werden kann. Für einzelne Schicksale sind hier keine Reserven mehr vorhanden. Hierbei sterben viele Patienten verfrüht. Bis die Politik hier eine Entspannung herbeigeführt hat, braucht es sicher bis 20 Jahre.

 

Bis dahin werden viele Patienten unnötige Einschränkungen durchleben müssen und ihr Selbstbestimmungsrecht nur noch auf dem Papier vorhanden sein.


Gedanken zur Kraft am Lebensende

14.11.2024 - Dieser Text entstand nach einem Telefonat mit einem Freund. Es hat mich  nachdenklich, über die „Flatrate-Medizin“, die heutzutage so oft Realität ist, gestimmt. In meinem Freund spürte ich viel Kraft, Lebensmut und sogar Pläne für die Zukunft. Trotz seiner Diagnose gibt er nicht auf – und genau das möchte auch ich nicht.

 

Seit 45 Jahren werde ich maschinell am Leben gehalten. Daher ist mir bewusst, dass mein Leben jederzeit zu Ende sein kann. Doch das bedeutet nicht, dass ich alles aufgeben muss. Ich genieße jeden Moment und die Zeit (Tage, Wochen, Monate oder Jahre), die mir bleibt. Meine Krankheit hat mir sicher Grenzen gesetzt, aber warum sollte ich deswegen meine Neugier auf das Leben verlieren? Wir befinden uns alle, seit unserer Geburt, im Sterbeprozess – und diesen Weg können wir so gut wie möglich gestalten.

 

Einige Philosophen sagen, dass wir bei der Geburt bereits einen ersten Tod erlebt haben, weil wir unsere bis dahin bekannte Welt verlassen haben. So gesehen sind wir schon einmal gestorben – und haben uns dennoch neu ins Leben gestürzt.

 

Lesen Sie hier die Gedanken, die aus dem Telefonat mit meinem Freund und sozusagen aus meinem Patientenbett entstanden sind. Ich freue mich wie immer über Ihre Rückmeldungen zu meinen Blogbeiträgen.


Eine schwere Diagnose, die keine Heilung mehr verspricht, ist wie ein Blitzschlag. Sie stellt unser Leben auf den Kopf, nimmt uns den sicheren Boden unter den Füßen und lässt uns in die Zukunft blicken – eine Zukunft, die uns mit Angst und Fragen erfüllt. Aber das Leben endet nicht mit einer Diagnose, und auch nicht, wenn Ärzte keine Heilung mehr sehen. Es gibt Menschen, die sich in solchen Momenten ihre Kraft bewahren, die neue Wege finden und in dieser Zeit immer noch Hoffnung und Freude wie neue Projekte entdecken. Und mit einem starken, unterstützenden Team an ihrer Seite kann auch diese Zeit bewusst, wie das ganze Leben zuvor, gestaltet werden.

 

Ärzte als Begleiter und Hoffnungsträger

 

Es gibt Ärzte, die über das Medizinische hinausgehen und ihre Patienten wie Familienmitglieder behandeln. So erzählen viele Patienten von Dr. Helmut K., der seine Patienten nicht nur behandelt, sondern begleitet. „Wir schaffen das gemeinsam“, war sein Leitsatz, und viele schwerkranke Menschen haben sich durch seine Worte gehalten gefühlt. Auch wenn die Heilung nicht mehr möglich war, schenkte er ihnen einen Weg, die verbleibende Zeit so gut und erfüllend wie möglich zu leben. Das ist wahre ärztliche Kunst – nicht nur den Körper zu behandeln, sondern den Menschen im Herzen zu erreichen. So Ärzte gibt es auch heute noch und ich kenne einen davon!

 

Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Anja, einer Krebspatientin aus dem Saarland. Ihre Diagnose ließ wenig Hoffnung, und doch bewahrte sie sich bis zur letzten Stunde ihre Neugier und Freude am Leben. Selbst als klar war, dass die Zeit knapp wurde, blieb sie positiv und versuchte, jeden Moment zu nutzen und schenkte von ihrer Zeit anderen welche. „Noch heute lerne ich etwas Neues“, sagte sie, und ihre Ärzte halfen ihr dabei, diese Einstellung zu bewahren. Ob wohl auch diese mit ihrer Lebensfreude teils überfordert waren. Mit dieser inneren Kraft konnte sie ihren Weg voller Zuversicht und Freude gehen. Ein solches Beispiel erinnert uns alle daran, dass das letzte Stück Weg, nicht allein gegangen werden muss, sondern dass uns Menschen zur Seite stehen können, die uns aufrichten und begleiten. Wie es das ganze Leben über immer Normalität war.

 

Lebensqualität bis zur letzten Minute

 

Es gibt eine tiefere Dimension der ärztlichen Verantwortung, die über Diagnosen und Medikamente hinausgeht. Es bedeutet, dass ein Arzt den Menschen sieht, der hinter der Diagnose steht, und ihm auf dieser Reise ein Freund und Begleiter wird. Viele Patienten wünschen sich einen solchen Arzt – einen, der ihnen sagt: „Ich bin an Ihrer Seite, und ich tue alles, damit Sie Ihre Zeit noch bewusst und mit viel Leben füllen können.“

 

Und doch braucht es nicht nur Ärzte. Die Familie, Freunde und das gesamte Team sind ein Teil dieses Weges. Sie sind wie schon immer im Leben die Kraftquelle, die Energie und Wärme spendet, wenn die Tage schwerfallen. Jeder Mensch verdient es, nicht allein und in Hoffnungslosigkeit, sondern mit Liebe und Kraft auf die Zielflagge des Lebens zuzugehen. Hier einfühlsam zu sein und menschlich zu bleiben – das ist es, was wahre Lebensqualität bis zum Schluss bedeutet. Denn auch wenn die Krankheit unbesiegbar scheint, darf die Freude am Leben nicht verloren gehen.

 

Wenn das Leben am Ende doch noch Neues birgt

 

Hermann Hesse beschreibt in seinem Gedicht *Stufen* das Leben als eine Abfolge von Übergängen und Abschieden: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Selbst im Angesicht des Todes gibt es immer noch Möglichkeiten, etwas zu beginnen und zu erleben. Es ist dieser Zauber des Lebens, der nie vollständig schwindet, solange wir offen bleiben, solange wir noch lernen und Neues erleben wollen – selbst wenn uns nur wenige Minuten bleiben. Wie lang sich Minuten anfühlen und was in dieser Zeit alles möglich ist, erlebe ich am Ende jeder Dialyse drei Mal die Woche.

 

 

Ein Arzt, der seinen Patienten diese Perspektive offenlässt, schenkt nicht nur Trost, sondern ermöglicht auch, dass der sogenannte letzte Lebensabschnitt mit Würde und Freude gefüllt ist. Stellen wir uns vor, wir hätten noch 23 Stunden und 59 Minuten – dann bleibt bis zur letzten Minute Zeit, um neue Erfahrungen zu machen und bewusst zu leben.

 

Ein letzter Abschied in Würde

 

Und wenn es dann soweit ist, wenn der letzte Atemzug naht und der Abschied bevorsteht, so ist es ein Moment, der voller Frieden und Klarheit sein kann. Ärzte, die Patienten bis zu diesem Moment begleiten, schenken ihnen und ihren Familien eine Erfahrung von Trost und Würde. Diese Begleitung ist kein Abschied von Hoffnung, sondern ein Moment der Liebe, in dem alles Wichtige gesagt und alles Unwichtige losgelassen werden kann.

 

Dieser Abschied in Würde ist auch für das medizinische Team und die Angehörigen ein kostbarer Augenblick. Es ist eine Erinnerung daran, dass der Tod nicht das Ende der Liebe ist und dass die letzten Momente, wenn sie in Zuwendung und Liebe geschehen, eine Kraft haben, die den Schmerz überdauert. Ein Arzt, der bis zum Ende dabei ist, der Mut und Trost schenkt, leistet eine der wertvollsten Aufgaben, die es in der Medizin gibt.

 

Ein Gedanke, der bleibt

 

„Am Ende wird nicht gezählt, wie viel Zeit wir hatten, sondern wie viel Leben in der Zeit war.“ Dies ist ein Gedanke, der bleibt – für alle, die diesen Weg gehen müssen, und für die, die ihn begleiten. Denn das Leben mag uns begrenzt erscheinen, aber seine Kraft ist in jedem Augenblick spürbar, wenn wir mutig, neugierig und liebevoll bleiben.

 

Mögen wir alle – ob Patient, Angehöriger oder Arzt – das Bewusstsein in uns tragen, dass jeder Moment eine Chance ist, etwas Schönes zu schaffen.

 

Martin G. Müller

Spektrum Dialyse


Hinweis

Wer in diesem Blog Rechtschreibefehler findet, darf sie gerne behalten! ;-) Durch meine lange Krankheit und vielen Fehlstunden in der Schulzeit, habe ich eine Leichte Rechtschreibeschwäche zurückbehalten. Dazu stehe ich. Ich denke der Inhalt ist wichtig.