Nierentransplantation - Dialysepatienten künftig Patienten dritter Klasse?

Dr Eindruck der Überschrift entwickelte sich bei mir, als ich zufällig auf eine beabsichtigte Richtlinienänderung bei der Bundesärztekammer aufmerksam wurde. Hier ist  eine Änederung der Wartelistenführung für die Doppeltransplantation der Pankreas-Nierentransplantation vorgesehen. So lautet zumindest  die atemlosmachende Aussage mit dem Titel:  "Entwurf einer Beschlussempfehlung der ständigen Kommission Organtransplantation für eine Änderung der Richtlinie für die Wartelistenführung und die Organvermittlung zur Pankreastransplantation und kombinierten Pankreas-Nierentransplantation in erster Lesung vom 01.03.2017." Meiner Auffassung kommen solche langen und verworrenen Überschriften nur zur Anwendung, um sich vor Lesern und Einsprüchen zu schützen.

 

Klarstellung:

 

Ehe sich die Auffassung bei verschiedenen Lesergruppen entwickelt,  hier äußert ein Patient Kritik, der für sich selbst eine Benachteiligung befürchtet, möchte ich klarstellen, dass ich nicht auf der Warteliste stehe. Ich beurteile aus unabhängiger Patientensicht.

 

Hintergrund der Wartelistenführung:

 

In Deutschland existiert für alle Organe, die transplantiert werden, eine Warteliste. Hierauf werden Patienten nur nach streng festgelegten Richtlinien aufgenommen. Bei der Lebertransplantation richtet man sich nach dem "MELD-Score". "Der MELD-Score wird zur Einstufung der Schwere von Lebererkrankungen verwendet". Bei der Herz-oder Lungentransplantation wird nach besonderen Kriterien "Lung-Allocation-Score" eine Dringlichkeitsstufe ermittelt.  So wird der Patient auf den Wartelisten erforscht, der das Transplantat am dringendsten erfordert.  Auf die Warteliste zur Nierentransplantation werden Patienten ähnlich ermittelt. Hier gibt es ein Punktesystem. Mit dem ersten Tag der Dialyse (Hämo- oder Peritonealdialyse) erhält der Patient fortan pro Tag eine Punktzahl. Im Jahr 33 Punkte. Hinzu kommen noch Punkte aus zahlreichen Vorgaben. Die Daten des Patienten und die Punkte werden an einen Großrechner bei Eurotransplant übermittelt. Er ermittelt  bei einem Organangebot unter Berücksichtigung aller Kategorien die höchste Punktzahl und gibt den Namen des Empfängers an.  Soweit ein kleiner Einblick in die Abläufe der Warteliste bei der Organvergabe.

 

Änderung der Wartelistenführung bei der Nieren-Pankreastransplantation

 

In der Vergangenheit sah die Richtlinie vor, dass Diabetika mit Nierenfunktionsstörung erst bei einer  glomerulären Filtrationsrate (GFR / Nierenrestfunktion) ab 15 ml/min auf die Transplantationsliste aufgenommen wurden. Dabei galt im Anschluss wie auch bei der Doppeltransplantation von Herz und Lunge, Patienten mit Nieren-Pankreas haben grundsätzlich Vorrang vor Patienten mit isolierter Nieren-oder Pankreastransplantation. Was in Patientenkreisen auch als sinnvoll akzeptiert wurde. Die nun vorgesehene Änderung sieht vor, den GFR Werth für die Aufnahme von 15 ml/min auf 30 ml/min anzuheben. Das ist für Dialysepatienten, die auf eine isolierte Nierentransplantation warten ein unfaires Verfahren!

 

Begründung?

 

Infolge der  Organspendenskandale nach dem Jahre 2012 hat die Situation der Organspende in Deutschland einen katastrophalen Tiefstand erreicht. Es stehen weit weniger Organe zur Verfügung als man benötigt. Folge, nicht allen Patienten kann geholfen werden. Täglich versterben daher vier Patienten auf der Warteliste.

 

Die nun diskutierte  Änderung trägt zu einer Verschärfung der Situation in erster Linie für Dialysepatienten bei. Denn nun werden, bei geringem Organangebot, zusätzliche Patienten auf die Transplantationsliste aufgenommen. Neupatienten, die überdies Vorrang vor Patienten mit isolierter Transplantationsanmeldung besitzen. Für die Patienten mit isolierter Anmeldung demotivierend. Denn zweifellos verlängert sich so ihre Wartezeit auf eine Organspende.

 

Sie Rücken nun sozusagen an dritter Stelle. An erster Stelle stehen nunmehr die Diabetiker (Patienten mit Diabetes mellitus und fortgeschrittener Niereninsuffizienz), da sie mit einer GFR < 30 ml/min auf die Warteliste aufgenommen werden. An zweiter Stelle stehen Patienten mit Leber-Nierentransplantation. Hier erfolgt die Aufnahme bei GFR < 20 ml/min. Dialysepatienten kommen jedoch erst mit GFR < 7-12 ml/min. an die Dialyse. Erst ab diesem Zeitpunkt werden auch sie auf der Warteliste gelistet!

 

Eine klare Benachteiligung! Argumentiert man doch bei den Diabetikern, man möchte frühzeitig transplantieren, sodass sich die  Patienten in gutem Allgemeinzustand befinden. Nur so besteht der optimale Erfolg einer Transplantation. Zur Erinnerung! Der Dialysepatient wird erst bei einer GFR 7-12 ml/min. und erst nach dem Beginn der Nierenersatztherapie (Dialyse)  auf die Liste aufgenommen. Im Anschluss basiert eine Wartezeit von 7 bis teils 12 Jahren! Über den Zeitraum entwickelt er Beeinträchtigungen an den Organen, Knochen wie Gefäßen. Bei einer Transplantation befindet er sich so in keinem  guten Allgemeinzustand. Um überhaupt die  Chance zu erhalten von der Dialyse entbürdet zu werden, muss er teils noch minderwertige Organe (Organe mit einer Funktionsminderung oder Vorerkrankung des Spenders) akzeptieren. Die beinhalten ein erhöhtes Komplikationsrisiko und so in der Abfolge zahlreiche Klinikaufenthalte. Wo der Diabetiker jetzt mit guten Organen Lebensqualität erlebt, kämpft der Nierenpatient klinisch um diese. Die  minderwertigen Organe werden bei einer Doppeltransplantation erfahrungsmäßig selten angeboten.

 

Die Gefahr, die nun bei diesen Abläufen entstehen könnte, ist, dass Ärzte erneut auf die Suche nach Lücken im Gesetz gehen? Mit dem einzigen Ziel um ihre Patienten vor Schaden zu schützen? Wozu sie zugleich Medizin studiert haben. Wäre so ein erneuter Skandal nicht vorprogrammiert und von der Bundesärztekammer hausgemacht?! Die Folge wäre erneut, das Todesurteil für viele Patienten! Mir scheint hier wird eine Patientengruppe wie Ärztegruppe begünstigt.

 

Gerechte Lösung:

 

Wenn hier eine Änderung herbeigeführt wird, dann auf jeden Fall  auch zugunsten der Dialysepatienten! Eine faire Lösung wäre den Patienten ab GFR < 30 ml/min schon Punkte zuzuteilen. Demgemäß wäre die Wartezeit nicht so lange und die Transplantation würde in besserem Allgemeinzustand erfolgen. So bestünde auch für diese Patientengruppe Aussicht auf eine verlässlichere Lebensqualität.

 

Mit der aktuellen Lösung versetzt man den Dialysepatienten zum Patienten 3. Klasse und verstößt gleichzeitig mehrmals gegen das Grundgesetz ("Artikel 1. Abs. 1, "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt", sowie Artikel 2. Abs. 2 "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" und Artikel 3 Abs. 1 " Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich"). Gleichwohl weiß man, dass die Einhaltung des Grundgesetzes politisch auch in anderen Themenfeldern, kein hohes Gut besitzt und rhetorisch relativiert wird.

 

Appell:

 

Als Patient richte ich den Appell an die Mitglieder der ständigen Kommission Organtransplantation, im Sinne aller Patienten Ihren Entwurf vom 01.03.2017 noch einmal zu überdenken. So zuüberdenken, um im Anschluss Chancengleichheit für "ALLE" herzustellen. Das Vorhaben jetzt ist das Herbeiführen einer Drei-Klassen-Transplantationsmedizin und birgt die Gefahr neuer Skandale mittels hilfloser Mediziner gegenüber Ihren Patienten! Dies zahlen letztendlich erneut unschuldige wiederholt mit dem Leben. Ist das letzten Endes wirklich beabsichtigt?!