Erinnerungsstücke, jeder besitzt sie! Sie erinnern einem an schöne Momente, vergangene Zeiten. Sie erhalten die Familiengeschichte der Eltern, Großeltern und Verwandten. Es gibt sie nicht nur im materiellen, sondern auch verbal. Prägende Sätze und Anekdoten zu Familienmitgliedern ebenso wie Geschichten von den Großeltern, wodurch auch sie nach Ihrem Tode in lebendiger Erinnerung bleiben. All dies verbindet das gestern mit dem heute und begleitet uns insbesondere in dieser aktuellen nachdenklichen Zeit.
In einem Besitz befinden sich oft viele Erinnerungsstücke. Sie führen einem etwas im Raum zurück der auch die eigene Kindheit noch einmal spüren lässt. Diese Stücke bestimmen nicht unser Leben geben jedoch einen gewissen Halt.
Für andere sind diese Gegenstände in der Anschauung still und leblos. All das hat keine besonderen Werte ist aber wertvoll, weil darin erkennbar ist, wie wir waren und was aus uns geworden ist. Nur uns gelingt es so den Dingen Leben einzuhauchen.
Ich besitze folgende Erinnerungsstücke, die mir lieb und teuer sind. Eine kleine Brotreibe von Oma, wo ich beim drehen der Kurbel immer für meine Stärke als Kind gelobt wurde. Eine Grubenlampe und St. Barbara (Schutzpatronin der Bergleute) von Papa, die er in einem zerbombten Keller fand und in seiner Kindheit selbst restaurierte. Eine Muttergottes meiner Mutter, an der sie in unendlicher Sorge durch meine Krankheit, über alle Jahre für mich gebetet hat. Eine Figurenflasche und Holzkanone meiner Patentante, wo ich als Kind nie Hand anlegen durfte, obwohl ich so fasziniert davon war. Einen kleinen beleuchteten Petersdom, der mich bei meinen Großeltern so verzauberte, weil der Papst darin winkte. Ebenso einen Hirsch wie Badeente von Opa die ebenso vor mir als Kind behütet wurden. Genauso habe ich noch letzte Teile samt Schlüssel meines Kinderzimmers. All diese Dinge übten in meinem frühen Leben eine Begeisterung auf mich aus und verbinden mich als Erwachsener lebendig mit dieser Zeit. Die Geschichten dieser Dinge sind somit eng mit den Menschen verstrickt, worin ich bis heute ihre Familienliebe spüre.
Verbal denke ich an Sätze meiner Großeltern die mich Lausert (Lausbub) oder Tuwak (Spitzbub) nannten. Meine Stiefmutter (2 Mama) mit besonderen Sätzen und Gesten. Mein Vater hatte die besondere Gabe, mich schnell auf die Palme zu bringen. Daraus machte er sich oft einen Spaß. Wenn er mich dann auf dem Gipfelpunkt hatte, sagte er: „Müller Martin mach Dir nichts draus, ich mache mir ja auch nichts daraus!“ Da bin ich explodiert und wutentbrannt nach Hause. Später rief er an und fragte: „Na bist Du jetzt wieder normal?!“ Ich konnte dem Mann nie lange böse sein, spätesten dann, musste ich und er Lachen. Noch heute höre ich innerlich oft diesen Satz und lächle. Am Abend nach der Dialysebehandlung klingelte regelmäßig das Telefon und er stellte die Frage: „Und alles glatt gelaufen?“ Hin und wieder weine, ich weil ich merke, wie er mir immer wieder so sehr fehlt. Besonders zu Weihnachten. Eine Erinnerung meiner Mutter und mir besteht in jedem Jahr an St. Martin. Als Kind habe ich das Lied „Ich gehe mit meiner Laterne“, wohl immer ganz laut falsch gesungen. Ich sang immer: „Ich geh mit meiner „Oterne“.“ In jedem Jahr erinnern wir uns gerne daran und ich singe es kurz an. Das und vieles mehr sind einige meiner wertvollsten Erinnerungsstücke.
Als ich den Nachlass meines Vaters regelte, fand ich in einigen Kisten viele Erinnerungsstücke von Familienmitgliedern, die ich nie kennenlernte. Samt einem Stammbaum bis ins achtzehnte Jahrhundert. Wie gerne wüsste ich an was welcher Gegenstand, der bei mir nun ein Ende findet, einst erinnert hat. Ich fand auch Basteleien aus Holz, die ich für meinen Vater als Kind angefertigt hatte. Es war mir nicht bewusst, dass sie noch existieren und er sie über 40 Jahre behütet hatte. Als ich diese Stücke fand, war ich emotional sehr berührt. Auch er hatte Stücke, die meine Kindheit für ihn lebendig hielten. Meine Mutter behütet so eine Bastelei, die sich inzwischen in Einzelteile auflöst.
Alle diese Erinnerungsstücke werden mit unserem Ableben ein Ende finden und in der Betrachtung wertlos werden sowie in einem Container landen. So ist der Lauf des Lebens.
Sind Ihnen auch gerade Erinnerungsstücke aus Ihrem Leben und die dazugehörigen Personen eingefallen?
Zu Weihnachten pflegen wir ja in Erinnerung auch Traditionen: vom Schmuck der Wohnung angefangen über den Speiseplan und die Besuchsordnung, wann wo mit wem wir die Festtage gestalten. Ein Erinnerungsstück bildet in vielen Familien als Mittelpunkt die Weihnachtskrippe. Wie oft sah ich alljährlich in unterschiedlicher gesundheitlicher Verfassung das Jesuskind meiner Familienkrippe. Mehrfach hätte keiner gedacht, dass ich die Krippenfiguren im nächsten Jahr wieder sehen werde. Doch heute … stehe ich alleine an der Krippe. Dabei ist mir bewusst, das Jesuskind, Gottes Sohn, gab mir immer wieder neue Kraft und Aufgaben! Kraft, Mut wie auch Hoffnung benötigen wir auch heute noch und gerade jetzt in dieser Zeit!
Verunsicherung, Ängste, das seltsame Gefühl einer ungewissen Zukunft entgegen zu gehen bedrückt uns. Wir fühlen uns teils überfordert und reagieren mit Resignation oder Aggression. Worauf begründet sich aber heute eine verlässliche Hoffnung? Woher kommt unsere echte Lebens-/und Weihnachtsfreude? Die Vorweihnachtszeit ist eigentlich eine kostbare Zeit um unser Vertrauen in der Gegenwart Gottes zu erneuern. In ihm erschließt sich für Christen die Quelle aller Zuversicht. Sie ist für uns kein leeres Versprechen. Gott mischt sich immer wieder in unser verwundetes und nervöses Leben ein. Inmitten aller Krisen und Verwerfungen dieser aktuellen Zeit schauen wir Christen auf und in die Krippe zu Jesus. Er ist, wenn wir glauben, unser Friede.
Aber nicht nur Christen haben Ihre Kraftquelle, auch Menschen anderen Glaubens haben diese. Als gläubiger Christ kann ich mich nur auf Gott berufen.
In diesem Jahr ist es mir sehr bewusst, dass viele gar nicht wissen, wie sie Geschenke, Baum und Familienfest finanzieren sollen. In dieser finanziellen Not steht sicher vielen nicht der Sinn nach Feiern. Viele werden zudem einsam sein. Gerade Kranke und ältere sowie Obdachlose. Sie sind ohne enge Beziehung, an Weihnachten sozial isoliert, in sich zurückgezogen. Nix damit "Weihnachtslieder und Braten". Teils sind es auch fröhliche Menschen aus unserem alltäglichen Leben. Einsamkeit kann jede und jeden treffen, gerade auch junge Leute, und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Die Massenhafte Freundschaften in den sozialen Netzwerken nützen nichts, wenn da nicht wenigstens eine "echte" darunter ist. Es ist gerade in dieser Zeit für viele schmerzhaft die Verbindung zu anderen – und vielleicht auch zu einem tieferen Sinn des Lebens, den man in Gott finden kann, verloren zu haben?
Diese Zeit lebt auch durch Menschen, die in sich ein hörendes Herz tragen und für andere Lichter Leuchten lassen. Ein paar dieser Mitmenschen gibt es auch in meiner Dialyseeinrichtung. Schwestern bastelten in Ihrer Freizeit Weihnachtsdekorationen für unsere Station. Mit diesen Dingen gestallten sie es gerade für die Patienten weihnachtlich. Sodass auch in der Krankheit und im Beruf eine gewisse adventliche Stimmung und Hoffnung herrscht. Man kann diesen Menschen, in der heutigen Zeit dafür nicht genug danken!
Dessen Ankunft, die wir nun erwarten, bringt uns auch Hoffnung. Die unter ihren Lasten Gebeugten richtet er auf. Verletzte und Kranke sieht er zum Heilwerden bestimmt. Er schenkt Mut!
Lassen wir uns durch die Zunehmenden Sinnentleerung der Weihnachtszeit, nicht davon abhalten, zu Gott und zu uns selbst zu finden. Nur so können wir wirklich aufatmen und in dieser Zeit zur Besinnung kommen.
Der Dichter Angelus Silesius sagte einst: „Wäre Christus tausend Mal in Betlehem geboren, aber nicht in dir, dann wäre Christus für dich umsonst geboren.“ „Christus. In mir geboren. Den großen Gott zieht es in mein kleines Herz. Oder aber auch in Ihres, wenn Sie mögen.“
So wird die Weihnachtskrippe in jedem Jahr zu einem Ort der Geborgenheit an der sich für unser Leben immer wieder neue Erinnerungen bilden, die uns fortan begleiten. Sie lässt uns aber auch die Lücke sehen und spüren die uns mit den Toten verbindet die wir vermissen.
Ich wünsche Ihnen zu Weihnachten und im neuen Jahr eine Kraftquelle, die Sie in Ihrem Leben leitet und mit Mut und Hoffnung in der Not immer wieder aufrichtet. Im Glauben wie Akzeptanz getragen, ist noch vieles in unserem Leben möglich. Entdecken Sie Ihr Licht in sich, dass Ihnen trotz Krankheit Lebensfreude spendet.
Und der Engel sprach fürchte Dich nicht …!
Ich wünsche Ihnen allen gesegnete Weihnachten und ein frohes wie gesundes neues Jahr 2023!
Ihr
Martin G. Müller
Spektrum Dialyse!