Ich leite diese Rubrik mit Zitaten aus einem Leserbrief an die Berliner Zeitung von 2002 ein der leider damals nicht veröffentlicht wurde. Sein Inhalt ist jedoch auch heute 20 Jahre später noch genau so aktuell wie damals bei Einführung der Dialysekostenpauschale. Die Autorin schrieb damals; Überschrift: „Nur ein toter chronischer Patient ist ein guter Patient“ "Von Seiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist die Entscheidung getroffen worden den chronischen Dialysepatienten die Dialysekosten um 25 % ab 2002 und die Jahre darauf weiter zu kürzen.“ „Es hat den Anschein, dass so Mittel für andere Zwecke bzw. für die „sogenannten Normalkranke“ von den Dialysepatienten abgezweigt werden. Dies erfolgt auf Kosten der Dialysequalität mit Folgen: Schlechtes Allgemeinbefinden und kürzere Lebenserwartung der ohnehin schon schwerkranken Patienten. Mit dem Wissen, dass eine künstliche Niere nie die Leistung der eigenen Niere erbringen kann, wird der Dialysepatient nicht mehr an der von der Wissenschaft errungenen Erfolg teilhaben können. Er wird wie vor 15 Jahren ein kurzes, dahinvegetierendes Leben haben. Ältere Menschen haben gar keine Chance ohne qualitätsgerechte Dialyse ein lebenswertes Leben zu führen.
Ist das Ziel der Gesundheitspolitik?
Teure chronisch Kranke mit wenigen Mittel zu versorgen?
Soll bewusst ihre Lebenserwartung verkürzt werden?
Nur ein toter Dialysepatient spart Geld?
Ein chronisch kranker Patient soll ehr sterben?“
Zu dieser Zeit hat man solche Leserbriefe und Fragestellungen als polemisch und unhaltbar, da aus Patientenmund, abgetan. 20 Jahre später wissen wir, es wurde war. Doch auch heute mit eindeutigen Beweisen wird diese Realität verneint. Die Patienten klagen heute auch nicht mehr. Es gibt kaum noch welche, die die Abläufe und Zusammenhänge so zu einem Bild zusammenfügen können, um Fehlentwicklungen zu erkennen. Einziger Punkt, wo sie heute, 20 Jahre später Rückgänge erkennen ist, wenn das Dialyseessen gekürzt oder eingestellt wird. Für die Qualität ihrer Therapie, die Ihre Lebensqualität und Überleben sichert, zeigen sie kein Interesse. Das macht es allen Seiten einfach mehr und mehr einzusparen. Bei einem Qualitätsmanagement, das wichtige Parameter nicht erhebt und anzeigt, bleiben viele Auswirkungen unentdeckt. Solange der Patient selbst an der Dialyse genug zum Essen bekommt, klagt er erkaum sitzt dadurch aber wie die Maus in einer unsichtbaren Mausefalle und wird durch die Blindheit des Hungers unwissend verfrüht sterben. Selbst mit stichhaltigen Beweisen der Besten Experten hätte man auch heute keine Chancen Veränderungen herbeizuführen. Da die Generation Babyboomer nun im Gesundheitswesen mehr und mehr auftaucht, gibt es auch zahlreiche teure Dialysepatienten. Daher ist es wohl so wie im Leserbrief dargestellt: „Nur ein toter Dialysepatient spart Geld“! Die Einführung der Pauschale in der Dialyse hat hierfür den Grundstein gelegt, wie ein Blick in die Geschichte für Interessierte hier darstellen wird.
"Zum Erhalt einer flächendeckend sichergestellten Versorgung mit ambulanten Dialyseleistungen muss auch die Vergütungsregelung vor dem Hintergrund bestehender regionaler Überkapazitäten mit einer
unwirtschaftlichen Leistungserbringung infolge von Auslastungsdefiziten neu gestaltet werden (7). Hier geht vom zunehmenden Interesse industrieller Anbieter an der ambulanten Dialyseversorgung eine bislang möglicherweise unterschätzte Gefahr aus. Eine vergleichbare Entwicklung
in den USA führte zu einem Anstieg des Marktanteils industrieller Dialyseanbieter von 34 Prozent in 1980 auf 70 Prozent Ende der 90er-Jahre (8). Gleichzeitig wurden deutlich erhöhte Mortalitätsraten in US-Dialysezentren unter kommerzieller Trägerschaft
berichtet (17).
Sachkostenpauschale
Die Gründe des industriellen Interesses an der ambulanten Dialyseversorgung sind vielschichtig. Nach Auffassung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung würde eine Industrialisierung der
Dialyseversorgung in Deutschland dazu führen, dass die Versorgungsstrukturen destabilisiert werden. Verdrängungsaktivitäten kapitalstarker kommerzieller Anbieter könnten die wirtschaftliche
Leistungserbringung bestehender Praxen auf absehbare Zeit unmöglich machen. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob industrielle Anbieter nach der Schwächung der konkurrierenden vertragsärztlichen
Dialysekapazitäten eine Sicherstellung im notwendigen Umfang auf hohem qualitativen Niveau garantieren würden. Aus diesen Gründen muss im Interesse der chronisch niereninsuffizienten Patienten
ein Verdrängungswettbewerb und daraus resultierende Versorgungslücken in unrentablen Regionen konsequent verhindert werden." Quelle: Dtsch Arztebl 2002; 99(13): A-828 / B-685 / C-641
Sparen bei der Dialyse: Sind Nierenkranke zu teuer?
Quelle: Aus der Neuen Solidarität Nr. 36 vom 5.9.2001:
Der Club of Life unterstützt eine Unterschriftenaktion des Bundesverbandes Dialysepatienten Deutschlands e.V., der zu recht einen drastischen Sparbeschluß der Kassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als "Einstieg in die Begrenzung lebensrettender Therapien" bezeichnet. Dialysepatienten werden in Deutschland offenbar zu teuer. Ähnlich wie in England, wo es eine strikte Altersbegrenzung für die Verordnung von Nierenwäschen gibt, soll jetzt auch bei uns im Zuge von Sparmaßnahmen die Zahl der Dialysepatienten reduziert werden. Das ist die zwingende Folge einer geplanten Absenkung der Vergütung für die ambulante Dialyse. Ab Januar 2002 soll nicht mehr jede Behandlung einzeln (zwischen 280 und 410 Mark schwankend) abgerechnet werden, sondern eine Wochenpauschale von 1134 Mark eingeführt werden. Diese soll von Anfang 2003 auf 1056 Mark und ab 1. November 2003 auf nur noch 997 Mark sinken.
Tödliches Sparen an der Dialyse
Quelle: Aus der Neuen Solidarität Nr. 15/2002
Medizin. Für die ambulanten Dialysepatienten soll es keine individuelle Kostenerstattung mehr geben, sondern nur noch eine immer weiter absinkende wöchentliche Kostenpauschale. Die Strategie der Kostenbegrenzung im Gesundheitswesen erhält immer klarere Konturen: Da es illusionär ist, Leistungskürzungen so schnell vorzunehmen, wie die Einnahmen der Kassen im Zuge der Wirtschaftskrise sinken, verlegen sich die Streichungsexperten schwerpunktmäßig darauf, in solchen Bereichen den Rotstift anzusetzen, wo zwar nicht sofort ein deutlicher Spareffekt erreicht wird, aber mittel- bis langfristig erhebliche Kosten wegfallen, da einfach weniger Patienten zu versorgen sein werden.
Jetzt hilft nur noch massive Gegenwehr
Quelle: Aus der Neuen Solidarität Nr. 23/2002
Kostensenkung. Die Sparmaßnahmen bei der Dialyse scheinen beschlossene Sache zu sein. Angesichts der rücksichtslosen Kostensenkungspolitik im Gesundheitswesen insgesamt wäre es blauäugig, weiter auf eine "Politik der leisen Töne" zu setzen. In dem Beitrag "Sparen bei der Dialyse: Sind Nierenkranke zu teuer?" (Neue Solidarität Nr. 36/2001) berichtete Dr. Wolfgang Lillge von den Plänen, daß es künftig für die ambulanten Dialysepatienten keine individuelle, auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Kostenerstattung mehr geben solle, sondern eine ständig absinkende Kostenpauschale. Der Fachverband "Dialysepatienten Deutschlands e.V." (DD) reagierte darauf bereits im vergangenen Jahr mit einer bundesweiten Unterschriften-Protestaktion, an der sich auch viele unserer Leser beteiligten.
Quelle: Dtsch Arztebl 2002; 99(28-29): A-1992 / B-1680 / C-1576
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat in seiner Sitzung am 26. Februar 2002 beschlossen, die Richtlinien über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte) in der Fassung vom 9. März 1993 (BAnz. Nr. 110 a vom 18. 6. 1993), zuletzt geändert am 19. Dezember 2001 (BAnz. S. 5148 vom 19. März 2002), im Wege des schriftlichen Verfahrens zu ändern. Die demgemäß am 17. April 2002 durchgeführte schriftliche Beschlussfassung ergab eine Mehrheit für folgende Änderungen: