The life ist strong, but beautiful. Lebe Deine Träume so lange Du kannst!
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
Und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
– Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
Doch mit dem Tod der andern muß man leben.
Memento von Mascha Kaléko.
Am 06.07.2021 ist ein einzigartiger Mensch, der für viele Vorbild, Helfer und wie für mich, ein echter und ehrlicher Freund war, im Alter von 65 Jahren verstorben. Im Herzen tief verbunden, trauere ich in dieser schweren Zeit, mit der Familie von Thomas Lehn (Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande).
„The life ist strong, but beautiful. Lebe Deine Träume so lange Du kannst!“ Dies war ein Motto von Thomas. Von Kindheitstagen war er nierenkrank, was dazu führte, dass er 1970 mit 14 Jahren in der Uniklinik Heidelberg an die Dialyse musste. Mit dieser lebenserhaltenden maschinellen Therapie arrangiert er sich von Beginn, außergewöhnlich gut. So realisierte er später, zusammen mit Beate seiner Frau, z. B. viele Urlaubsträume. Nach der Organisation der Dialysebehandlung am Urlaubsort reisten sie nach, Italien, Türkei, Kroatien, Kreta, Teneriffa, Gran Canaria, Dominikanische Republik, Fuerteventura, Mexico, Ägypten, Kalifornien USA, Süd Afrika, um nur ein paar Ziele zu nennen.
Hier zeigten sie gemeinsam auf, wenn man die Krankheit akzeptiert, ist auch mit der Dialysebehandlung, ein fast normales Leben möglich. So richtet sich der Blick vorwiegend auf Freiheiten nicht auf Einschränkungen. Diese Lebenseinstellung vermittelte er an Mitpatienten.
Hauptberuflich arbeitete er in Vollzeit im Landesrechenzentrum in Mainz. Neben seinem Vollzeitjob und der Dialyse erfüllte er in vielen Positionen, Aufbau-/wie Pionierarbeit bei der Selbsthilfe. So war er über 35 Jahre aktives Vorstandsmitglied im Verein der „Dialysepatienten Mainz e.V“. Von 2003 - 2012 war er mit eine treibende Kraft, beim Aufbau des Vereins Junge Nierenkranke Deutschland e.V. Hier war er Mitbegründer der Vereinszeitung und begleitete redaktionell 70 von heute 89 Ausgaben. Weiter gründete er für diesen Verein die Regionalgruppe Rheinland - Pfalz/Saarland. Aus dieser Vereinigung entstand durch ihn mit, zusammen mit Niere Saar e.V. das „Infoteam Organspende Saar“. Des weiteren war er im Vorstand des Bundesverband Niere e.V. 2011 gründete er die private Internetseite www.dialyseshunt.com. Eine Seite, die den Patienten Rat und Hilfe zum Dialyseanschluss Shunt vermittelt. Eine gute Shuntversorgung für Patienten war sein Herzensthema. 2010 regte er nach einem Shuntseminar, bei Shuntchirurgen die Idee an, es müsste eine Gesellschaft für Shuntchirurgie entstehen. Im Jahre 2012 gründete sich die „ Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft Dialysezugang e.V (IAD)“. Auch deren Vorstand gehörte er als Patientenvertreter bis zuletzt aktiv an. Darüber hinaus betrieb er noch die Homepages www.thomas-lehn.de , www.thomas-lehn.de/Heimdialyse , www.thomas-lehn.de/Urlaub . Bei Facebook begleitete er die Gruppe „Nierenkrank“ mit fast 5000 Mitgliedern. Hier entwickelte er gerade in der Corona-Pandemie, bevor noch andere in der Selbsthilfe damit begonnen hatten, Onlineseminare mit der Möglichkeit, zum Gedankenaustausch im Anschluss. Am Rande Publizierte er, schrieb ein Buch und hielt europaweit, bei Ärzten in verschiedenen sprachen, Vorträge zum besseren Verständnis des Krankheitsbildes aus Patientensicht. Ebenfalls kümmerte er sich darum, dass eine junge Dialysepatientin aus Russland, hier in Deutschland Shuntchirurgisch versorgt werden konnte. Er organisierte alles zusammen mit Beate und die Frau fand bei der Familie Lehn bis zur Abreise eine Heimat. Auch in den Medien war er ein bekanntes Gesicht.
All dies fand immer gemeinsam mit der Unterstützung seiner Frau Beate an seiner Seite statt. Ihre
Liebe
hat so viel über die Jahre getragen. Eine große Leidenschaft beider war es neben den Urlaubsreisen Unteranderem, Rockkonzerte
wie F1 Rennen zu besuchen. Die Liebe zu schnellen Autos zeigte sich privat beispielsweise im Besitz eines Porsche 911. War man mit beiden zusammen, bemerkte man oft, wie sie sich nur per Blicke
unterhielten. Sie waren nicht nur ein Paar sonder in allem ein vertrauensvolles Team. Von 1983 bis zuletzt führten sie gemeinsam die Heimdialyse durch, worüber sich auch andere Patienten immer
aktiv informierten.
Bei allen seinen Aktivitäten bekam auch ich als Freund keine Langeweile. Thomas besaß die besondere Gabe, für seine Projekte zu begeistern. So war ich fester Bestandteil seines Teams. Jedoch unterstützte er auch mich wie andere bei Projekten. Wenn Thomas ein Projekt unterstützte, war es ernst zu nehmen. Er war in der Selbsthilfe ein Visionär und machte sich dabei neue Medien gleich zu Hilfsmitteln, um zu informieren. Er war so weltweit mit Patienten, Schwestern, Ärzte, Medizintechnik und Industrie eng vernetzt. Thomas Lehn war seine eigene Marke.
Ich lernte Thomas, wie wir zufällig mal feststellten, schon vor über 40 Jahren kennen. Damals lag ich in der chirurgischen Klinik Heidelberg, als er, einer der älteren Patienten, mir erklärte, der immer so viel heimlich an Flüssigkeit getrunken hat, vorwiegend Blumenwasser, dass man kein Blumenwasser trinken darf. Ich hörte auf ihn und trank fortan, andere Dinge heimlich.
Wir verloren uns danach, bis zu einem Seminar 2003 des Vereins Junge Nierenkranke Deutschland e.V. in Bonn, aus den Augen. Da kahmen wir ins Gespräch und es begann eine lange feste Freundschaft, die uns beiden, auch in schweren Zeiten, immer eine Hilfestellung darstellte. In der Not standen wir Gewehr bei Fuß. So waren Beate und er 2012 für mich da, als ich schwer am Herzen erkrankte. Hier schöpften wir immer unsere Netzwerke zur beidseitigen Hilfe aus.
2003 befand ich mich in der Erholungsphase einer schweren gesundheitlichen Krise. Ich konnte noch nicht weit reisen und war auch sehr furchtsam. Er wie unser 2018 verstorbener Freund Paul Dehli machten abwechselnd große Umwege, um mich in Kaiserslautern, wohin ich selbst fuhr, abzuholen. So ermöglichten sie mir im Verein Junge Nierenkranke Deutschland e.V. von Anfang an Mietarbeiten zu können. Dank Thomas und Paul erhielt ich wieder eine Aufgabe in meinem Leben und wurde wieder aktiv. Bald überschritt ich die Grenzen des Saarlandes wieder bis nach Hamburg. Die gelebte und aktive Selbsthilfe, wo man auch mal einen Patienten an die Hand nahm, war immer sein Motto. Eine Art die heute fast ausgestorben ist aber noch dringend benötigt wird. Dies konnten wir in unserer gemeinsamen Arbeit, bis heute, immer wieder feststellen.
Unser erstes gemeinsames Seminar führten wir in Hamburg durch. Die Herberge hierzu stellte uns auf eine harte Probe. Was wir nicht wussten, war, dass die Betten der Zimmer, Schrankbetten waren. Das Duschwasser war meist kalt und die Hygiene wie das Essen eine Katastrophe. Zusammen meisterten wir es jedoch. Nach dem Seminar saßen wir am Abend noch lange im dunklen Seminarraum, ließen alles Revue passieren und entwickelten neue Pläne.
Auf der Heimfahrt eines anderen Seminars führten wir ein Zukunftsgespräch zu unserer Krankheitssituation. Es ging uns, zu diesem Zeitpunkt, gesundheitlich noch sehr gut. Es schmerzten uns nur alle Muskeln von den vielen Aktivitäten des Wochenendes. So freuten wir uns beide auf eine gepflegte Dialyse zu Hause. Ruhig im Bett liegen, TV an und die Muskeln mit der Dialyse wieder entsäuern. Wo andere an ein gepflegtes Bierchen denken, dachten wir vergnüglich an die bevorstehende Dialyse.
Auf der vorgenannten Rückfahrt sprachen wir sehr ernst darüber, wie lange wir wohl, wenn unsere Krankheit starke Nebenwirkungen zeigte, Lebensqualität wie aktuell empfinden würden. Ich glaube keiner hätte sich damals vorstellen können, dass er eines Tages im Rollstuhl und ich mit einer sehr einschränkenden Herzerkrankung, noch eine so hohe Lebensqualität empfinden würden. Dabei auch noch weiter neue Projekte entwickeln und umsetzen würden. Thomas zeigte immer wieder allen auf, mit einer neuen Weichenstellung, ist das leben weiter lebenswert. Da zog er auch mich immer wieder mit und aus so mancher Lebens-/und Gesundheitskrise heraus. Er war ein großes Vorbild wie Kraftquelle, zu dem viele, wie auch ich, immer bewundernd aufblickten. Dass er dabei im Rollstuhl vor einem saß, bemerkte man nicht.
Ich schlug ihn mal für eine Auszeichnung des Landes Rheinland Pfalz vor. Dies tat auch er für seinen engen Freund Willi Koller. Keiner wusste von der Aktivität des anderen in dieser Angelegenheit. Zufällig redeten wir später über den Inhalt des Bewerbungsschreibens. Wir mussten herzhaft Lachen. Denn ohne es voneinander zu wissen, verwendeten wir unabhängig dieselben Textstellen, aus Publikationen, wo Thomas und Willi gemeinsam aktiv waren. Wenn ich in seiner Bewerbung aufhörte zu lesen, konnte er in der für Willi nahtlos fortführen. Am Ende wurden jedoch beide ausgezeichnet.
Ich bewunderte Thomas immer für seine Diplomatie, mit dem er durch das von mir gezeichnete Haifischbecken der Selbsthilfevereine schwamm. Er schaffte es in allen Vereinen in einem ruhigen Ton, wohl überlegt mitzuarbeiten. Sicher ärgerte auch er sich über Abläufe und Mitstreiter, aber er war ein besonnener Diplomat. Wie oft versuchte er mich Hitzkopf, der Napoleon von der Saar, wie er mich oft nannte, vergebens zu beruhigen. Er wusste aber, dass ich ein seltener Kämpfer am Patientenbett war, und unterstützte mich so auf meinem eigenen Weg der Selbsthilfearbeit.
Wir bewerkstelligten gemeinsam so viel. Willi und er planten mit mir immer wieder Veranstaltungen zwischen den Vereinen IG Mainz e.V. sowie Niere Saar e.V. zu denen über 100 Teilnehmer kamen. Wir drei hatten die Gabe zu begeistern und zu aktivieren.
Es ist ein aussichtsloses Vorhaben, hier weiter alle Aktivitäten von Thomas aufzuzählen. Er hatte für jeden ein offenes Ohr. Oft telefonierte er mit Mitpatienten die Probleme oder Fragen hatten, während der Dialysezeit. Bei allem vergaß er nie seine Familie. Die stand immer an erster Stelle. Besonders seine Mutter, die mit eine besondere feste Stütze und Begleiterin in seinem Leben und Krankheit war. Beide verband eine ganz besondere Liebe bis zum Ende.
2019 erhielt er für alle seine Leistungen von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Diese Anerkennung, worauf er und seine Familie sehr stolz war, hat Thomas weiter in seinem Engagement beflügelt.
Ende Mai diesen Jahres, sprachen wir nach dem eine Freundin von ihm, die auch Dialysepatienten war, verstorben ist, lange über das Thema Tod und sterben. Wir hatten erneut ein sehr offenes Gespräch geführt. Ergebnis war, wenn die Zeit des Abschiedes kommt, sollte es bitte schnell und ohne viel Leiden auslaufen.
Ende Juni berichtete er mir am Telefon, mir geht es nicht gut ich habe Probleme aber ich bin schon in Behandlung, es wird bald besser. Wenn ich wieder auf dem Damm bin, werden wir unser Projekt fortsetzen. Leider ging es ihm nicht besser und er musste in die Uniklinik. Wir standen dabei in engem Kontakt. Bei unserem letzten Telefonat, sagte er zu mir; „Ich danke Dir für unsere Freundschaft! Sie hat mir bis jetzt mit über viele Schwierigkeiten hinweggeholfen. Wir haben immer die gleichen Dinge vor Augen und setzten sie gemeinsam um. Willi und Du seit wichtige Freunde in und für mein Leben. Keiner ahnte, dass es unser letztes Gespräch war.
Als mir seine Frau Beate mitteilte Thomas sei verstorben, blieb meine Welt stehen. Ich kann es nicht in Worte fassen, was der Verlust meines Freundes für mich bedeutet. Er war eine feste Größe wie Stütze in meinem Leben, der eine große Leere hinterlässt. Aber welche Leere muss er bei seiner Beate wie Familie hinterlassen haben?
Er war ein so einzigartiger Mensch! 51 Jahre Dialyse, Vollzeit berufstätig, Pionier der Selbsthilfe, er hat die Welt bereist, Vorbild, Helfer und Freund für so viele Menschen. Wenn einer dabei auch noch seine Träume im Leben gelebt und verwirklicht hat, war ER es zusammen mit seiner Beate!!!
Ich verbeuge mich ehrenvoll vor diesem großen Menschen, den ich Freund nennen durfte sowie seiner unübertrefflichen Lebensleistung mit seiner Erkrankung. Auch nach seinem Tod ist er beispielhaft dafür, was alles mit dieser Krankheit möglich ist, wenn man sie annimmt.
Danke Thomas für die bereichernde Zeit zusammen mit Dir, die ich sehr vermisse und nie vergessen werde. Im Herzen bleibt unsere Verbindung zueinander immer bestehen. Solange es geht, werde ich in Deinem Sinne weitermachen.
Auf wiedersehen mein Freund …
Meine aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Frau Beate, seiner Mutter sowie seiner ganzen Familie und Freunden, die alle einen großen Verlust erlitten haben.
Martin G. Müller
„Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur, Doch mit dem Tod der andern muß man leben.“
2018 in Saarbrücken