Quelle Onlineartikel: 27.02.2025
Wenn Erfahrung und Spezialisierung Effizienz weichen müssen – und was das für Patienten bedeutet
Wiesbaden, 27. Februar 2025 – In den Operationssälen der Helios DKD Wiesbaden ist ein Pionier am Werk. Einer, der nicht nur operiert, sondern analysiert, nachdenkt, verbessert – und neue OP-Techniken entwickelt. Prof. Dr. Gerhard Krönung, ein Name, der in der Shuntchirurgie weit über die Landesgrenzen hinaus für höchste Expertise steht, wird hier noch immer von Patienten aufgesucht, die andernorts keine Hilfe mehr fanden. Doch ab 01.03.2025 soll damit Schluss sein
Denn während Prof. Krönung und seine langjährige Kollegin Frau Dr. Frizen bereit wären, statt in den Ruhestand zu treten, ihre Expertise weiterhin in den Dienst der Patienten zu stellen, geht die Klinikleitung einen anderen Weg: Die Shuntchirurgie wird aus der DKD Wiesbaden abgezogen und in die Helios Dr. Horst Schmidt Klinik (HSK) verlagert. Offiziell bleibt die Versorgung bestehen – in der Realität jedoch verliert eine der renommiertesten Adressen für hochspezialisierte Shuntchirurgie in Deutschland wie dem Ausland ihre führenden Köpfe.
Hochspezialisiert oder eine Leistung unter vielen?
Die neue Klinikstruktur wird als Fortschritt verkauft. In einer Pressemitteilung vom 30. Dezember 2024 heißt es:
"Die Klinik für Gefäßmedizin an den Helios HSK Wiesbaden deckt das gesamte Spektrum arterieller und venöser Erkrankungen ab. Dazu zählen unter anderem die Therapie von Carotisstenosen, Aortenaneurysmen, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sowie die Anlage von Dialyse-Shunts und Gefäßzugängen."
Die entscheidende Veränderung liegt im Detail: Während die Shuntchirurgie an der DKD Wiesbaden eine eigenständige Abteilung mit Chefarztstatus war, wird sie an der HSK nur noch als Teil einer breit aufgestellten Gefäßmedizin geführt. Das wirft die Frage auf, ob die spezifische Expertise, für die Patienten bisher teils aus dem Ausland angereist sind, in dieser neuen Struktur erhalten bleibt.
Denn eines zeigen die Zahlen deutlich:
Die personelle Situation zeigt, dass diese Zahlen ohne erhebliche Veränderung der Abläufe kaum realisierbar ist:
Doch was bedeutet das für die Patienten?
Eine hoch komplexe Shunt-Operation zum Shunt-Erhalt (Revision), kann mehrere Stunden dauern, eine Neuanlage hingegen geht meist schneller. In vielen Kliniken, die ähnlich aufgestellt sind, zeigt sich bereits ein Muster: Mehr Fokus auf Neuanlagen, längere Wartezeiten für komplizierte Fälle – und als Überbrückung Katheterlösungen mit allen bekannten Risiken.
Ein Experte, der weiter machen würde – aber nicht mehr darf?
Besonders brisant: Offiziell gibt es keine öffentliche Stellungnahme von Prof. Dr. Krönung oder Frau Dr. Frizen zu ihrer beruflichen Zukunft. Allerdings deutet nichts darauf hin, dass sie von sich aus ihre operative Tätigkeit beenden wollten. Noch 2021 hob die Klinik selbst in einer Pressemitteilung zur 10.000. Shunt-OP hervor, dass Prof. Krönung anstatt in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen, weiterhin neue OP-Techniken entwickle, um Patienten zu helfen. „Vor mehr als 47 Jahren hat sich Prof. Dr. Gerhard Krönung auf dieses Teilgebiet der Gefäßchirurgie spezialisiert, da er diesen Bereich als unterversorgt empfand. Seither stand er nicht nur mehr als 28.000 Mal im OP, sondern hält regelmäßig Vorträge auf Fachkongressen und führt Fortbildungen durch. Nicht ohne Grund gilt er als Koryphäe auf seinem Gebiet – Patienten werden von weit her und sogar aus dem angrenzenden Ausland zu ihm geschickt. Nicht zuletzt trägt natürlich auch die Spezialisierung zu einer besonders hohen Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit bei.“ So Helios damals selbst.
Obwohl Prof. Krönung und Dr. Frizen ihre Expertise weiter einbringen könnten, sieht die aktuelle Planung der Klinik ihren Ruhestand vor.
Die Umstrukturierung wurde auf institutioneller Ebene getroffen. Offiziell gibt es keine Stellungnahme dazu, inwieweit alternative Lösungen geprüft wurden. In der schon erwähnten E-Mail vom 25.02.2025 ist auch zu lesen: „Herr Prof. Krönung, der diesen Bereich an der DKD maßgeblich aufgebaut und geprägt hat, geht kurz vor seinem Geburtstag nun in seinen wohlverdienten Ruhestand. Wir danken ihm voller Hochachtung für sein herausragendes Engagement und seine langjährigen außergewöhnlichen Leistungen für die Patient:innen. Zudem tritt Oberärztin Dr. Frizen in den Ruhestand. Auch ihr gilt unser großer und herzlicher Dank für ihre Leistungen.“
Mit der Umstrukturierung geht die Shuntchirurgie in eine breitere Klinikstruktur über, in der sie als Teil der Gefäßmedizin weitergeführt wird. Ob die bisherige Spezialisierung in diesem neuen Rahmen im gleichen Umfang erhalten bleibt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.
Die Patientenvertreter sprechen von einer "dramatischen Unterversorgung", die durch diesen Schritt droht. In einem aktuellen Onlinebeitrag erklärte Dr. Shahverdyan, ein anerkannter Shuntexperte aus Hamburg: "In Deutschland sehe ich eine besorgniserregende Unterversorgung von Dialysepatient:innen hinsichtlich der Shuntanlagen und der Nachsorge. Diese Systeme sind entscheidend, um den Blutfluss während der Dialyse aufrechtzuerhalten und damit die Lebensqualität der Patient:innen zu sichern."
Besonders schwer trifft es junge Patienten mit schwieriger Gefäßsituation, die berufstätig sind, Familien haben und auf eine langfristige Dialysequalität angewiesen sind. Denn ein gut funktionierender Shunt ist nicht nur für die Dialyse selbst essenziell – er ist auch die Voraussetzung für eine spätere Nierentransplantation. Wer auf eine Spenderniere hofft, muss bis zu zwölf Jahre auf eine Transplantation warten. Doch ohne eine funktionierende Shuntversorgung gibt es, durch schlechte Dialysequalität, meist keine Transplantation mehr.
Patienten zwischen Strukturwandel und Versorgungsengpässen
Viele Patienten erfuhren über informelle Kanäle von der Umstrukturierung. Ob und in welcher Form die Klinik direkte Mitteilungen an Betroffene versandt hat, ist bisher nicht öffentlich dokumentiert.
Auch die Verantwortlichen halten sich bedeckt. Anfragen an das Gesundheitsdezernat Wiesbaden, das Gesundheitsministerium Hessen und die Ärztekammer blieben bislang unbeantwortet. Telefonische Kontaktversuche verlaufen ins Leere. Die Shuntchirurgie selbst verweist auf die Klinikführung.
Eine mögliche Lösung wäre ein geordneter Übergang über zwei bis vier Jahre unter der Expertise von Prof. Krönung und Dr. Frizen, um die spezialisierte Versorgung schrittweise, im Sinne der Patienten, an ein neues Team zu übergeben. Stattdessen wurde eine Entscheidung getroffen, die strukturelle Veränderungen priorisiert und Fragen zur langfristigen Sicherung der bisherigen Versorgungsqualität offenlässt.
Man ersetzt einen Mediziner der neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung innovativer OP-Techniken auch maßgeblich am Aufbau praxisnaher Richtlinien beteiligt ist, die in Deutschland bislang in dieser Form fehlen. Als Mitbegründer der Interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft Dialysezugang (IAD) hat er dazu beigetragen, Qualitätsstandards zu etablieren, die für die Behandlung von Patienten, unerlässlich sind. Seine Publikationen und Vorträge auf nationalen und internationalen Fachkongressen unterstreichen seinen Ruf als Vordenker in der Shuntchirurgie. Patienten und Kollegen wie Verbände können daher die Entscheidung der Klinikführung, dieser speziellen Abteilung, die seit 2009 in der Form besteht aufzulösen, nicht nachvollziehen.
Fazit: Ein Modell für die Zukunft – oder ein Abschied von spezialisierter Spitzenmedizin?
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die neue Struktur der HSK den bisherigen Standard halten kann. Die Darstellung der Klinikleitung in der E-Mail vom 24.02.2025 soll nahe legen, dass der Übergang gut geplant sei. Helios schreibt: „Denn hier erfüllen wir alle strukturellen Voraussetzung: Wir verfügen über optimale Ressourcen für ein integriertes und multidisziplinäres Versorgungskonzept der betroffenen Patient:innen, unter anderem die erforderlichen OP-, Anästhesie und Intensivkapazitäten vor Ort. Die Fachabteilung Gefäßmedizin und Shuntchirurgie ist insbesondere im Zusammenspiel mit der Angiologie und der interventionellen Radiologie deutlich besser abbildbar und wird mit einem ganzheitlichen, interdisziplinären Fokus betrieben.“
Doch für viele spezialisierte Patienten bedeutet diese Veränderung Unsicherheit – wie zahlreiche Stimmen in den sozialen Medien zeigen. In Diskussionen äußern sich Betroffene besorgt über die Zukunft der Shuntchirurgie in Wiesbaden. So heißt es unter anderem:
Diese und viele weitere Äußerungen, die der Redaktion vorliegen, verdeutlichen die emotionale Betroffenheit vieler dieser Patienten mit schwieriger Gefäßsituation und die Unsicherheit, die mit dieser Entscheidung einhergeht.
Am Ende geht es nicht nur um die Frage, ob eine Shuntchirurgie weiter existiert. Es geht darum, ob Patienten, die komplexe Eingriffe benötigen, weiterhin eine Adresse haben, an der nicht nur operiert, sondern mit jahrzehntelanger Erfahrung analysiert, geplant und in teils langen Operationen, wie von Prof. Krönung und Team behandelt wird.
Von Prof. Krönung und Frau Dr. Frizen gibt es keine öffentliche Stellungnahme zu ihrer beruflichen Zukunft. Die Klinikleitung hat jedoch in der E-Mail vom 24.02.2025 ihren Ruhestand angekündigt.
Für die Patienten, die in Prof. Krönung und Team bislang als letzte Hoffnung sahen, steht nun eine entscheidende Frage im Raum: Wird die neue Struktur ihrem Anspruch gerecht – oder endet hier eine Ära hochspezialisierter Versorgung? Während die Klinikleitung an ihren Plänen vermutlich festhält, bleiben für Betroffene viele Unklarheiten. Wer übernimmt nun die komplexen Eingriffe oder Shuntlebensplanung, die andernorts oft als aussichtslos galten? Stefanie Neuheäuser vom Bundesverband Niere e.V. Ressort Shunt, selbst Patientin seit 10 Jahren von Prof. Krönung, stellt in einer offiziellen E-Mail vom 26.02.2025 an den Geschäftsführer der Helios DKD die Frage: „Können Shunt-Problem-Patienten (wie ich selbst, mit über 10 Shuntoperationen, insbesondere Revisionen, meist hybrid, bei Prof. Krönung seit 2015, die letzte noch im Januar 2025, und wegen schlechter Gefäßsituation bald wieder in Erwartung eines Shuntverschlusses mit erforderlichem Eingriff), die oft sehr weit extra zu Professor Krönung aus ganz Deutschland wegen seiner besonderen Expertise angereist sind, sich sicher sein, ab nächster Woche in Wiesbaden die gleiche Qualität wie bekannt vorzufinden? Wenn ja bitten wir um eine detaillierte Beschreibung, wie dies sichergestellt wird.“ Auf die dringende Nachfrage, ist noch keine Rückantwort von der Geschäftsführung erfolgt.
Doch die Verantwortung für diese Situation liegt nicht allein bei der Klinikführung. Auch die Gesundheitsbehörden, das hessische Gesundheitsministerium und die Ärztekammer stehen in der Pflicht, sich dieser Entwicklung anzunehmen. Denn es geht hier nicht nur um organisatorische Veränderungen, sondern um die medizinische Versorgung von Patienten, deren Behandlung hochspezialisiertes Wissen erfordert.
Noch gibt es keine Antworten auf die drängenden Fragen der Betroffenen. Doch eines ist sicher: Eine solche Umstrukturierung darf nicht zulasten derer gehen, die auf diese Versorgung angewiesen sind. Wenn medizinische Spezialisierung und Erfahrung durch eine effizientere, aber ungewisse Neuordnung ersetzt werden, bleibt am Ende nur eine Erkenntnis: Am Ende geht es nicht nur um Klinikstrukturen – sondern um die medizinische Zukunft vieler spezieller Patienten.