„Ärzte und ich, das ist ein schwieriges Verhältnis, das mal so und mal so funktioniert.“ Also, mehr so eine Art „mal sehen, wie lang’s diesmal gut geht.“ Schon in den Wartezimmern fängt’s an. Da sitzt man wie ein Statist, der auf seinen Einsatz wartet – nur ohne Applaus und ohne Kostümwechsel. Ich hab mich oft gefragt, ob sich die Mediziner manchmal selbst im Wartebereich niederlassen sollten, um zu erleben, wie das ist, wenn die Lebenszeit, die eh nur noch kurz ist, dahinzieht und der Patient langsam in eine Selbstheilung oder beginnenden Sterbeprozess wechselt.
Ja, und wenn man dann endlich dran ist, folgt oft ein kurzer, doch irgendwie prägender Moment. Der Arzt, in seinem weißen Kittel und mit wichtigem Blick, öffnet die Tür, sieht mich kurz an, dann meine Akte – und dann die Uhr. Ein Blick auf die Uhr gehört einfach dazu, wie das Wartezimmer zur Praxis. So wurde mir klar, dass die „Abenteuerdiagnose“ hier schon zur Routine geworden ist. Und ich? Ich bin so eine Art Patient auf dem Weg ins nächste „Mal sehen“.
Und so kam es, dass ich mir eines Tages sagte: „Martin, mach’s selbst.“ Kein Herzklopfen mehr in sterilem Ambiente und kein halbherziges Gespräch über eine „womöglich mutmaßliche“ Diagnose. Stattdessen eine andere Planung, eine, die wirklich Hand und Fuß hat – und hoffentlich noch ein paar Jahre steht, bevor die Füße kalt werden.
Kommen wir also zum Projekt „Der letzte Akt“. Ganz nach meinem Geschmack: eigenständig, mit Entschlossenheit und ganz ohne das bei Ärzten so beliebte „Mal sehen, wie’s läuft“.
Schritt eins: Ein Hauch von Eigenständigkeit – und Eigen-Therapie
Da ich nicht wirklich darauf vertraue, dass ich eines Tages von einem Arzt überrascht werde, der mehr will als nur eine weitere Ziffer auf dem Kassenzettel, konzentriere ich mich lieber auf das Wesentliche: auf mich. Die Mediziner dürfen gerne weitersuchen – für den Moment lege ich lieber selbst Hand an und nutze mein Wissen für das Beste: die geplante Eigentherapie, ganz ohne Laborkittel. Den Weißkitteln öffne ich die Tür nur noch, wenn sie eines Tages überraschend mit bahnbrechenden Heilmethoden, auf die sie selbst beim Nachdenken über mich gekommen sind, vor meiner Tür stehen sollten (wer weiß, das Christkind bringt ja auch immer wieder was Neues).
Der Knaller: Meine eigene Bestattungsplanung
Es ist irgendwie beruhigend zu wissen, dass man das Letzte, was einem noch bleibt, zumindest selbst gestalten kann. Also, wie plant man seine eigene Beerdigung? Was auch immer man denkt – ich verrate hier nicht alles. Wer die Feier erleben will, muss die Einladung abwarten – oder sich einfach überraschen lassen.
Zurück zum Anfang: Ein vertrauensvoller Bestatter ist das A und O. Fündig wurde ich bei einem Familienunternehmen in meinem Heimatort, die schon einige meiner Vorfahren unter die Erde gebracht haben – und zwar so, dass niemand zurückkam, um sich zu beschweren. Als ich bei der freundlichen Bestatterin anrief, gab’s am anderen Ende der Leitung ein leichtes Räuspern, als ich erklärte, worum es geht. Wahrscheinlich war sie überrascht, von einem Kunden mit normaler Körpertemperatur kontaktiert zu werden.
Erste Amtshandlung: Die Unterlagen – Bürokratie, bis das letzte Blatt fällt
Wie jeder gut vorbereitete deutsche Bürger habe ich alle notwendigen Unterlagen für mein Ableben zusammengetragen. Das ist überraschend bürokratisch, auch wenn die deutsche Amtswelt das Wort „Abschied“ nicht kennt: Personalausweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde (oder Scheidungsurteil, falls es nicht so gut lief) – die Liste ist lang und charmant wie der Tod selbst. Und ja, der Rentenanpassungsbescheid darf nicht fehlen – selbst wenn es nur noch ums „Ende des Lebens“ geht, will der Staat wissen, was noch zu holen ist.
Die einzige fehlende Urkunde ist die Sterbeurkunde. Die Ausgabe davon versuche ich, auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern.
Schritt zwei: Die Frage aller Fragen – die Urne!
Kataloge wälzen für die Urne – das macht nicht jeder. Die Auswahl ist größer als im Modegeschäft. Selbst die Idee meiner „Badenixen-Urne“ mit Sombrero hätte sich realisieren lassen. Aber ich behalte das Geheimnis um meine finale Urnenwahl – ein bisschen Spannung muss schließlich bleiben!
Und der Blumenschmuck? Na, das ist die „Kreißsaal-Deko des Todes“. Auch hier halte ich mich bedeckt, aber eins ist sicher: Es wird bunt. Schließlich ist man ja nicht farblos, nur weil man die Temperatur nicht mehr halten kann.
Der Look für die letzte Reise – und der letzte Schrei im Tannensarg
Ein schicker Tannensarg, ganz schlicht. Das Ziel ist klar: Die letzte Reise im ganz eigenen Stil. Das Outfit? Jeans, weißes Hemd, Sakko, und ja, Unterwäsche mit grünen Herzen. Man muss schließlich ein Zeichen setzen. Nur die Schuhe? Fehlanzeige. Wer braucht die schon auf einer Fahrt ohne Rückfahrschein? Damit ich gut ruhe, gibt’s ein Kissen und eine Decke von Stiftung Warentest mit „Sehr gut“. Mein Tipp: Wer vorhat, sich ewig zu betten, sollte hier nicht sparen.
Ein ewiges Andenken – die Trauerrede in „Light-Version“
Das große PowerPoint-Abschiedsprogramm habe ich auf ein paar knappe Worte gekürzt. Die Bestatterin warnte mich, dass sich eine stundenlange Rede am Grab möglicherweise als Geduldsprobe entpuppt – vor allem im Winter. Eine kurze Ansprache vom Pfarrer, sofern es der jetzige noch lebend schafft, ist also das Minimalpaket. Die Musikauswahl bleibt übrigens auch eine Überraschung. Aber „Junge komm bald wieder“ - von Freddy Quinn, ist mit in der nähren Auswahl! Ich plane hier mit einem schrägen Mix, aber die Details bleiben streng geheim. Der Schock ist schließlich Teil des Konzepts.
Die Einladung zur Party des Lebens – per Aushang am Friedhof
Die Traueranzeige muss auch gut überlegt sein. Von der Anzeigegröße bis hin zum Spruch – die Kosten hauen rein. Da erwische ich mich plötzlich dabei, ans Sparen zu denken... für was eigentlich? Spätere Zeiten? Ein verrücktes Gefühl. Zum ersten Mal plane ich, ohne an die Zukunft zu denken. Am Ende habe ich sogar mehr Geld, als nötig ist. Ja, das Leben ist ungerecht, und der Tod bringt noch den Rest.
Die Aftershow – ein Festmahl für die Lebenden
In meiner Heimat nennt man es „Leichenimmes“ – und da gehört ordentlich was auf den Tisch: belegte Brötchen (Schnittscha), Hefezopf (Kranzkuchen) und Butterkuchen (Krimmelkuche). Ohne diese Speisen ist man im Saarland nicht richtig tot. Den Ort der Feier halte ich als finalen Gag geheim. Wer ein guter Freund ist, wird’s rausfinden. Nur eins sei gesagt: Es wird ein Fest, bei dem ich so gut wie nie zuvor auf „Lager“ stehe.
Wenn der letzte Koffer gepackt ist – Rückführung per Post
Damit die Kosten im Rahmen bleiben, lasse ich mich zur Not, sollte ich im Urlaub sein, am Urlaubsort einäschern und per Post nach Hause schicken. Die Option besteht. Ein bisschen makaber, aber hey – warum nicht auch den Tod mal kosteneffizient gestalten?
Abschließend: Das Finale mit Humor im Herzen
Nach zwei Stunden war der Vertrag perfekt. Beim ersten Blick auf meine eigene Traueranzeige beschlich mich ein leicht mulmiges Gefühl. Da fehlte nur noch das Datum...
Fazit: Für alle, die allein durchs Leben gehen, ist die Vorsorge wohl Pflicht – und wenn das die eigene Beerdigung mit einschließt, dann zumindest bitte mit einem Hauch Würde und einer Prise Humor. Nach all den Anweisungen, Verfügungen und Formularen war dies mein letztes kleines Meisterwerk. Sollte eines Tages ein Arzt den Weg finden, der wirklich Zeit und Interesse mitbringt, dann stehe ich bereit – zumindest, um ihm zuzuhören, so gut es ohne Puls geht.
Ich frage mich manchmal: Wenn wir alle durch die Flure der Klinik oder Praxis laufen und dem Tod jeden Tag die Hand schütteln, wann wird aus diesem Händedruck Routine? Ein Pfleger, eine Ärztin, sie begegnen einem Patienten, dann geht man weiter und weiter – doch irgendwo bleibt der letzte Takt für den Patienten unerhört. Schon vergessen, sagt das Hirn, damit die Nerven noch halten. Aber vielleicht wird sich ja jemand kurz erinnern, dass da einer war, der trotz allem Mensch blieb und mit dem „Probelauf” nach etwas mehr gesucht hat als nur der nächsten Verschreibung.
Ja, diese Feier wird wohl anders als die üblichen. Sollte ich hinter der Urnenwand nochmal flackernd
auftauchen, dann vielleicht mit einem dezenten Applaus für die Show, für ein bisschen Beachtung. Wäre ja fast unhöflich, wenn ich mich da nur mit einem stummen Abgang zufriedengeben müsste.
;-)
Martin G. Müller
Überarbeitete Fassung von 2017 im Oktober 2024
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