Quelle: gesundheit adhoc, 13.12.2020

Interview des KfH mit Thomas Lehn, Dialysepatient seit 50 Jahren

 

Thomas Lehn, geboren 1956, lebt seit 50 Jahren mit der Dialyse und wird im KfH behandelt. „Lebenslänglich“, so überschreibt er seine Lebensgeschichte als Dialysepatient, nachzulesen auf www.thomas-lehn.de. Für ihn ist die Heimhämodialyse die beste Nierenersatztherapie. Warum? Das schildert er im Interview.

50 Jahre Hämodialyse, davon 37 Jahre Dialyse zu Hause. Sie haben so eine optimistische Grundeinstellung. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

„Optimismus ist eine wichtige Orientierung, um mit der Erkrankung besser umgehen und lange Zeit damit leben zu können. Ich kenne Patienten, die diese wichtige Orientierung verloren haben. Sie fielen in ein „schwarzes Loch“, als sie erkannten, dass die Dialyse nicht mehr aus dem Leben wegzudenken sein wird und Familie, Beruf und das soziale Leben darunter leiden könnten. Ich rate meinen Mitpatienten, zu ihren Stärken zurückzufinden, die Dialysebehandlung nicht als Übel zu sehen, sondern als Chance, mit ihr weiterleben zu dürfen.“

Die meisten Dialysepatienten gehen zur Dialyse in eine ambulante Einrichtung. Warum haben Sie sich für die Dialyse zu Hause entschieden?

„Als ich 1983 mit meiner Lebenspartnerin Beate in unsere erste gemeinsame Wohnung eingezogen bin, war jede gemeinsame Minute kostbar. Die Fahrt zur Dialyse und die Dialysebehandlung in Heidelberg nahmen viel zu viel Zeit in Anspruch. Nicht schön für eine junge Beziehung! Ich hatte zu dieser Zeit von der Hämodialyse gehört, die zu Hause mit der Hilfe eines Partners durchführbar war. Dies schien uns eine optimale Lösung zu sein. Wir fanden im KfH-Nierenzentrum Mainz ausgezeichnete Ärzte, die uns gut vorbereiteten und bescheinigten, dass wir das ideale Heimhämodialyse-Pärchen sein könnten. So konnten wir die Behandlung selbstbewusst und ohne zeitlichen Druck im heimischen Umfeld gemeinsam durchzuführen. Diese gewonnene Zeit, diese Unabhängigkeit, dieses Selbstwertgefühl und die Verantwortung und Regie für meine persönliche Dialyse zu übernehmen, möchte ich niemals mehr missen!“

Was waren bislang die größten Hindernisse bei der Heimhämodialyse bzw. dabei, diese durchzuführen?

„Unser Büro sollte auch unser Dialysezimmer werden. Dies bedeutete, dass ein Wassereinlauf und Abfluss sowie ein Elektroanschluss mit Stromabsicherung gelegt werden mussten. Wir wohnten damals zur Miete und der Eigentümer der Wohnung musste mit dem Umbau im Dialysezimmer einverstanden sein. Wir überzeugten ihn, indem wir ihm versicherten, bei Auszug aus der Wohnung alles in den Ursprungszustand zurückbauen zu lassen. Bei der Dialyse hatten wir in den 37 Jahren kaum Hindernisse zu bewältigen. Bei technischen Problemen, die bisher eher selten auftraten, ist ein Techniker in der Rufbereitschaft immer zu erreichen. Wegen medizinischer Probleme bei der Dialysebehandlung war es bisher noch nicht notwendig, einen Arzt zu rufen. Im Notfall ist für mich immer ein Dialyseplatz in meinem mich betreuenden KfH-Nierenzentrum reserviert.“

Sie haben sich persönlich nie für eine Transplantation ausgesprochen. Warum? Wäre das Leben mit einer neuen Niere nicht vielleicht einfacher?

„Von 1970 bis zu dem Zeitpunkt der Heimhämodialyse war ich als transplantierbar gelistet. Im Jahr 1982 stand für mich eine passende Niere zur Verfügung, die ich aber wegen einer Gürtelrose abgelehnt habe. Zwei Jahre später war es wieder soweit. Auf dieses Organ verzichtete ich, da ich beschlossen hatte, dass die Heimhämodialyse für mich das beste Nierenersatzverfahren ist. Ich entschied mich dazu, mich von der Warteliste bei Eurotransplant streichen zu lassen. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Transplantation, aber für mich ist die Heimhämodialyse optimal: Ich weiß, was auf mich zukommen kann. Ich kann meine Gesundheit weitgehend erhalten, wenn ich bestimmte Regeln beachte: kalium- und phosphatreiche Nahrungsmittel meiden, Trinkmenge reduzieren, genügend Eiweiß zu mir nehmen, die verordneten Medikamente regelmäßig einnehmen und vor allem lange Dialysezeiten einhalten.“

Was raten Sie anderen Patienten, wenn sie vor der Entscheidung für eine Nierenersatztherapie stehen?

„Wir leben zum Glück in Deutschland, wo sich Patienten zwischen der Dialyse im Zentrum, der Heimdialyse und der Nierentransplantation entscheiden können. Ich empfehle, sich mit dem behandelnden Nephrologen zu beraten, sich zudem auch darüber in den sozialen Onlinemedien zu informieren und auf jeden Fall sich einer Selbsthilfeorganisation anzuschließen, um sich mit Patienten mit Erfahrung in vielen Bereichen der Nierenersatztherapien auszutauschen.“

Seit 1984 sind Sie mit Ihrer Frau verheiratet. Was bedeutet die Erkrankung für Ihre Partnerschaft?

„Als wir uns 1974 kennen lernten, war ich bereits vier Jahre Dialysepatient. Meine Erkrankung war für Beate kein Hinderungsgrund. Beate und ich hatten einen großen Freundeskreis, wir machten gemeinsame Urlaube und für Hobbys war auch noch Zeit. Eine intakte Beziehung und soziale Bindungen zu pflegen sowie das „Gebrauchtwerden“ ist für mich immer wichtig gewesen: Für den Partner da sein, ein angenehmes Leben teilen, finanziell unabhängig sein und gemeinsam in Würde alt werden - das ist immer mein Bestreben gewesen. Wir sind nach der langen Zeit ein eingespieltes Team. Meine Frau ist für mich eine starke Stütze. Ohne sie hätte ich schon lange meinen Lebensmut verloren.“

Wie sehen Sie die Zukunft der Heimdialyse? Immerhin ist die Zahl der Patienten, die zu Hause dialysieren sehr gering, gerade einmal sechs Prozent in Deutschland.

„Ich erwarte in den nächsten Jahren einen Heimdialyseboom aufgrund der durch die Gesundheitspolitik veranlassten Sparmaßnahmen und den Personalmangel in den Dialysezentren. Die Coronakrise trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei. Auch die kompakten und mobilen Dialysegeräte, die einfach zu bedienen sind, und vor zwei Jahren auch in Deutschland angekommen sind, werden dazu beitragen. Erste Patienten dialysieren schon im Testverfahren damit zu Hause. Nicht zuletzt belegen Studien die Vorteile und internationale Leitlinien empfehlen die Heimdialyse als Erstverfahren.


Ein Mensch voller Lebensfreude

 

Thomas Lehn: 32 Jahre leben mit der Dialyse

 

Von Pia Steinbauer,

 

erschienen im Jahrbuch 2002 des Landkreis Mainz-Bingen (Nachtrag: Pia Steinbauer ist leider 2019 verstorben)

 

Thomas Lehn ist ein Mann voller Elan und Optimismus. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Beate bewohnt der Mittvierziger ein hübsches Häuschen in Ingelheim, mit einem blühenden Garten und zwei Stubentigern. Sein Beruf als DV-Kaufmann macht Thomas Lehn großen Spaß und als eines seiner Hobbies hat er sich den Computer mit all seinen technischem Zubehör auserkoren. Eigentlich führt Thomas Lehn ein Leben wie viele andere, wenn da die Dialyse nicht wäre.

 

Seit 32 Jahren ist Thomas Lehn Hämodialysepatient – ein Handycap. Das für ihn eigentlich keines mehr ist. „Ich habe die Dialyse im Kopf verarbeitet“, fasst Thomas Lehn sein Leben mit der regelmäßigen Blutwäsche zusammen.

 

Künstliche Niere

 

Da seine Nieren nicht mehr arbeiten, entfernt ein als künstliche Niere bezeichnetes Dialysegerät Sschlacken und Flüssigkeiten aus dem Blut. Dreimal pro Woche muss er sich für rund fünf Stunden an das Dialysegerät anschließen. Die Behandlung steht bei Thomas Lehn längst nicht mehr im Vordergrund. Er hat sie in sein Leben integriert. „Eigentlich ist die Maschine ein Teil von mir“, stellt Thomas Lehn mit einem Lächeln im Gesicht fest. Dass sein Leben mit der Dialyse auch nahezu unproblematisch und voller Lebensfreude sein kann, das will er auch an andere Dialysepatienten weitergeben. „Ich möchte anderen Dialysepatienten Mut und Hoffnung machen, dass man auch mehr als 30 Jahre mit einer künstlichen Niere recht gut leben kann.

 

Frühe Nierenprobleme

 

Eigentlich feiert Thomas Lehn seinen Geburtstag alljährlich zweimal. Da ist zum einen der Tag seiner Geburt - und dann der Tag, an dem ihm in akuter Lebensgefahr mit einer Hämodialysebehandlung gleichsam ein zweites Mal sein Leben geschenkt worden.

Schon seit seiner frühen Kindheit hatte Thomas Lehn, am 12.06.1956 in Gau-Algesheim geboren, mit Nierenprobleme zu kämpfen. Im Alter von fünf Jahren wurde ihm die rechte Niere entfernt. Mit strenger Diät und halbjährlichen Untersuchungsintervallen konnte seine linke Niere erhalten werden, bis er im Alter von 14 Jahren an eine schwere Lungenentzündung erkrankte. Diese schwere Erkrankung löste ein Versagen seiner zweiten Niere aus und brachte den Vierzehnjährigen in akuter Lebensgefahr, unmittelbar wurde er in die Mainzer Universitätskliniken eingewiesen, aber auf die dort eingesetzten Peritionaldialyse (Bauchfelldialyse) sprach bei Thomas Lehn nicht an. Gesundheitlich ging es ihm zusehends schlechter, so dass Ärzte und seine Eltern nur noch eine Möglichkeit sahen, eine Überweisung nach Heidelberg.

 

Rettung in Heidelberg

 

Die urologische Abteilung der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg war damals die einzige Klinik in Deutschland, an der schn Ende der sechziger Jahre bei Kindern die Hämodialyse eingesetzt wurde. Zunächst nur für die Vorbereitung von Nierentransplantation konzipiert, entwickelte sich die urologische Station unter dem Oberarzt Dr. H.W. Schüler im Laufe der siebziger Jahre zu einem der Zentrum für Kinderdialyse.

Für Thomas Lehn war die Urologie der Heidelberger Universitätsklinik die letzte Chance, sein Leben zu retten. In einem sehr bedenklichen Zustand wurde der junge Mann mit dem Hubschrauber nach Heidelberg geflogen. Er hatte keine Sehkraft mehr, sein Blutdruck lag bei 280 mmhg. Zudem war eine ausgedehnte Pericarditis eingetreten. Nach 36 Stunden Hämodialyse konnte er wieder sehen, nach 60 Stunden Dialyse hatte er 8 kg Flüssigkeit verloren und der Pericarderguss bildete sich wieder weitgehend zurück.

Dank der guten medizinischen und psychologischen Betreuung erholte er sich rasch. Anfangs durfte er nur an den Wochenenden nach Hause. Später fuhr ihn seine Mutter regelmäßig zur Dialyse nach Heidelberg.

 

Eine fast normale Jugend

 

An den dialysefreien Tagen besuchte Thomas Lehn die Schule, daneben erhielt er mit staatlicher Unterstützung Hausunterricht. Er machte seine Reifeprüfung und eine Ausbildung zum DV-Kaufmann. Bis heute blieb er dem Beruf treu, den er Vollzeit ausübt. Als er seinen Führerschein hatte, fuhr er nach der Arbeit dreimal in der Woche selbst nach Heidelberg zur Dialyse.

Thomas Lehn: „Ich behaupte, dass bei angemessener staatlicher und menschlicher, sozialer Hilfe durch Familie, Freunde, Lehrer, Schwestern und Ärzte, Jugendliche natürlich muss der eigene Wille da sein), trotz der künstlichen Niere fast wie Gesunde leben, sich weitgehend normal entwickeln und unter echter Rehabilitation voll in das Erwachsenenalter und Berufsleben integriert werden können.“

 

Heimdialyse

 

Seit 1983 dialysiert Thomas Lehn mit Unterstützung seiner Ehefrau Beate zu Hause.

Für das Dialysegerät und das erforderliche Zubehör hat sich Thomas Lehn ein eigenes Zimmer eingerichtet. Dort verbringt er drei Abende in der Woche , um sich mittels der künstlichen Niere sein Blut reinigen zu lassen. „während dessen Fernsehe oder lese ich“, beschreibt er den schon voll in den Alltag integrierten Ablauf der Hämodialyse.

 

Die Dialyse erfordert natürlich viel Selbstdisziplin. „ ich muss mich kaliumarm ernähren und darf nur wenig trinken“, erläutert Thomas Lehn. Aber das hat sich für ihn schon im Unterbewusstsein gespeichert.

 

Es geht mir gut

 

Obwohl sich Thomas Lehn schon für eine Transplantation hätte entscheiden können, bleibt er doch lieber noch bei der Dialyse. Für ihn bedeutet die Dialyse kaum Einschränkung. Sogar regelmäßige Urlaube sind keinerlei Problem. Durch die Heimdialyse ist er zudem räumlich und zeitlich ungebunden. Thomas Lehn ist dem Kuratorium für Heimdialyse angegliedert.

Volle Unterstützung, auch gerade in punkto Selbstständigkeit, erfuhr er immer durch seine Familie und seine Ehefrau.

Sehr am Herzen liegt es ihm, andere Dialysepatienten Mut zu machen, Mut zu mehr Annahme, Mut zu mehr Integration der Dialyse im Alltag.

Wer sich mit ihm in Verbindung setzen möchte, ist auf seiner Homepage: (http://www.thomas-lehn.de) herzlich willkommen.


TV Berichte zu Thomas Lehn




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