In Deutschland wurden erstmals in Heidelberg 1967 von Herrn Dr. Schüler Kinder unter 16 Jahren, die aufgrund ihrer Urämie normalerweise gestorben wären, hämodialysiert.
Damals war die Behandlung der terminalen Niereninsuffizienz bei Kindern durch Dialyse und Transplantation bei den Medizinern noch umstritten und vielerorts auf Ablehnung gestoßen. In dieser Zeit wurden nach Berichten nur ca. 150 - 200 Kinder in der ganzen Welt durch chronisch intermittierende Dialyse auf eine Nierentransplantation vorbereitet.
Vom klinischen Standpunkt aus, gab es nicht für jeden Patient den geeigneten Dialysator und die passende Dialysespülflüssigkeit(heutzutage für jeden Patienten individuell). Übelkeit, Erbrechen und Blutdruckabfälle waren an der Tagesordnung. Auch Blutverluste durch Rupturen waren keine Seltenheit. Bei Kindern waren Gefäßzugänge wie Shunts undenkbar und nur Scribner-Shunts, die nie auf Dauer hielten, machten öfters Komplikationen, wie Blutungen, Entzündungen oder Thrombosen. Befürchtungen, dass die Dialyse bei Kindern seitens des Gefäßzuganges über Wochen, Monate oder sogar Jahre nicht durchführbar sei, hatten sich zum Glück nicht bestätigt. Dank der technischen Fortschritte und der zunehmender Erfahrung konnten die anfängliche Schwierigkeiten der Dialysebehandlung bei Kindern reduziert werden.
1971 wurden erstmals in Heidelberg bei Jugendliche über 14 Jahren eine Cimino-Fistel, die man mit 2 Nadeln punktierte, gelegt. Wir waren froh, dass wir uns nun erstmals wieder mit Armen und Beine in die Badewanne legen konnten.Der Nachteil waren die Schmerzen; von nun an wurden wir Jugendlichen mit 2 Nadeln punktiert. Da die Gefäße nicht sehr gut ausgebildet waren, kam es öfters vor, dass 3 - 5 mal punktiert wurden. (Single Needle Funktion gab es noch nicht). Anfangs wurden 2 mal 12 Stunden, dann 2 mal 10 Stunden und spater 3 mal 8 Stunden dialysiert.
Da es durch die Bindung an die künstlichen Niere grosse psychische und physische Belastungen ausgesetzt waren, bemühte sich Dr. Schüler und sein Pflegepersonal, den Patienten das Leben an der Maschine so erträglich wie möglich zu machen.
Man legte grossen Wert, dass die junge Patienten während der Dialyse durch Spielen untereinander, durch Lernen mit einem Lehrer oder Spielen mit dem Pflegepersonal oder einem Beschäftigungstherapeuten abgelenkt wurden.
Auch im privaten Bereich versuchte Dr. Schüler mit den Eltern der dialysepflichtigen Kinder persönliche Kontakte zu halten und alles zu unternehmen, dass die Kinder und Jugend liche eine Schulausbildung bez. eine Berufsausbildung erlangen konnten. In seiner Freizeit organisierte er mit seinem Team für die jungen Patienten Zoobesuche, Kino- und Theateraufführungen, Faschingsfeste und Grillfeste und alljährlich zur Weihnachtszeit wurden die Heidelberger Spielzeuggeschäfte zur Spende aufgerufen, um die Dialysekinder an einer Weihnachtsfeier zu beschenken.
Ich erinnere mich an ein Treffen mit dem damaligen Bundespräsident Herrn Walter Scheel, der uns mit seiner Frau an den von uns veranstalteten Basar, wo wir an der Dialyse gebastelten Sachen verkauften, besuchte (siehe Bild).
Nach meiner Meinung wurde durch die entsprechende Behandlung von Dr. Schüler und seinem Team die Psysche der Kinder gebessert und stabilisiert, wobei ihnen eine aufklärende, angstarme und vertrauensspendende Umgebung die Bewältigung ihres Schicksals erleichterte.
Die wichtigste Aufgabe war es die jungen Patienten in das tägliche Leben zu integrieren, was bei Kindern von anderen Faktoren abhängt als bei Erwachsenen. Wobei sich nicht nur die Kriterien der medizinischen Rehabilitation, sondern auch die der sozialen Rehabilitation unterscheiden. Ein chronisch dialysiertes Kind ist erst dann rehabilitiert, wenn es seine Krankheit akzeptiert, frei von größeren Komplikationen ist und in seiner dialysenfreien Zeit bei seiner Familie leben, an einem Schulunterricht teilnehmen und mit seinen Altersgenossen spielen kann. Außerdem muss es psyschisch stabil und altersentsprechend selbstständig sein.
Es ist ein sehr komplexes Thema, doch nach meinen Erkenntnissen haben einige Kinder die Schul- bez. Berufsausbildung absolviert und leben noch heute transplantiert oder an der Dialyse.
Nach und nach wurden in Deutschland in anderen Dialysezentren wie Köln, Frankfurt u.s.w. Kinder dialysiert und die Kinder von Heidelberg, die näher zum Heimatort dialysiert werden konnten, wurden dorthin verlegt.
Thomas Lehn (Artikel im "der Dialysepatient", 1997)
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